Lagertha
Zwei Wochen waren vergangen, seit Brenna entführt worden war. Lagertha saß auf einem Stein am Ufer. Die Brandung umspülte ihre Füße. Tränen tropften von ihrem Kinn. Die Suche war eingestellt worden. Es gab keine Hoffnung mehr, Brenna zurück zu bekommen. Ihr Schwert glitt aus ihrer Hand und fiel mit einem dumpfen Plopp in den Sand. Sie hatte versagt. Ihr Kopf sank in ihre Hände. Plötzlich ertönte eine Stimme. "Warum weinst du, schöne Frau?" Es war Floki, der ihr in letzter Zeit wahrlich zum Freund geworden war. Ragnar war zu beschäftigt damit, den Wiederaufbau und den Gegenschlag zu koordinieren. Floki half ihm, nahm sich aber auch die Zeit, Lagertha zu trösten. Die blonde Schildmaid schniefte. "Es ist wegen meiner Schwester. Ich habe versagt." Floki kicherte. "Du hast doch noch gar nicht alles versucht. Deine Schwester war mit einem Drachen zusammen. Du hast noch eeeeeendlose Möglichkeiten." Lagertha schüttelte den Kopf. "Der Drache ist fort." "Dann holen wir ihn zurück!" Floki sprang auf und nahm Lagertha an der Hand. Dann zog er sie hinter sich her in Richtung Wald. Sie kamen an eine kleine Hütte. Lagertha nahm an, dass Floki dort wohnte, denn er ließ ihre Hand los und verschwand im Inneren. Mit Armen voll Brennholz kam er wieder heraus. Dieses schichtete er auf. "Drachen sind Kreaturen des Feuers. Man kann sie damit rufen." Lachend entzündete er die Scheite. "Na los, du bist dran. Rufe ihn." "Wie soll ich ihn rufen?" fragte die Frau irritiert. Floki kam ganz nah ran. Lagertha sah ihm tief in die Augen. Der Mann war so nah, dass sie die Risse in seiner Bemalung sehen konnte. Plötzlich kicherte Floki wieder. "Mit deinem Herzen!" Er sprang auf und ging in die Hütte. Lagertha sah ihm hinterher, bevor sie wieder in die Flammen sah. Sie konzentrierte sich. "Eirik, Wenn du mich hörst... Wir brauchen deine Hilfe. Brenna wurde entführt. Ich weiss nicht, ob sie noch lebt. Ich bitte dich, du bist unsere einzige Hoffnung."

Lagertha
Tatsächlich glaubte sie, in den Flammen ein leuchtend blaues Auge zu sehen. Die Pupille war senkrecht, wie bei einer Katze. Plötzlich loderte das Feuer schwarz auf und erlosch. Lagertha erschrak und zuckte zurück. "Er wird kommen." hauchte Floki, der plötzlich wieder neben ihr stand. "Er wird kommen und Leid und Vernichtung über unsere Feinde bringen." Floki kicherte, bevor er ohne weitere Worte in den Wald ging. Lagertha sah ihm nach. Dann stand sie auf und ging in Richtung Kattegats. Im Dorf angekommen ertönte recht bald ein Rauschen. Menschen zuckten zusammen. "Der Drache!" kreischten sie. "NICHT angreifen!" befahl Lagertha laut, entschieden und wiederholt. Ab und an flogen einzelne Pfeile, welche allerdings am Bauch des Wesens abprallten ohne Schäden anzurichten. Lagertha eilte zum Dorfplatz, wo der Drache gelandet war. Doch als sie dort ankam, stand dort nur Eirik. Auf den ersten Blick hätte sie nie erkannt, dass es sich um den Drachen handelte, doch kurz später erkannte sie die Augen aus dem Feuer. Dann bemerkte sie, dass Eirik verändert aussah. Er wirkte wilder als zuvor, seine Augen funkelten misstrauisch. Außerdem zeichneten sich stellenweise schwarze Schuppen auf seiner Haut ab. Das linke Auge war komplett umrandet von schwarzen glänzenden Schuppen, ebenso wie dir Haut des rechten Armes komplett bedeckt war. Lagertha eilte zu ihm. "Du bist gekommen!" rief sie erfreut und unendlich erleichtert. "Du hast mich gerufen." erwiderte er. Seine Stimme klang kratzig, als hätte er sie lange nicht benutzt. "Brenna wurde entführt. Ich weiss nicht, wo Jarl Borg sie hingebracht hat. Sie ist nun schon seit zwei Wochen fort und wir können Sie einfach nicht finden. Du musst uns helfen." Seine Miene verfinsterte sich. "Ich muss gar nichts!" fauchte er, doch der harte Ausdruck in seinen Augen brach schneller als erwartet. "In welche Richtung ist er geflohen?" fragte er nach einer Weile. "Richtung Norden." Eirik nickte. "Schickt eure Schiffe zur Walflosseninsel. Dort wird der letzte Kampf gegen diesen Bastard stattfinden." befahl er. Lagertha wollte gerade etwas erwidern, als an seiner Stelle schon wieder der riesige Drache stand. "Danke." hauchte sie und sah zu seinem gewaltigen Kopf hoch. Er nickte lediglich, bevor er sich in die Lüfte schwang.

Eirik
Es dauerte nicht lange, bis Eirik die Insel ausgemacht hatte. Er hielt sich verdeckt in den Schatten der hereingebrochenen Nacht und überflog die Festung wieder und wieder. Die zahlreichen Wachen bestätigten seine Vermutung. Borg war hier. Und die Schiffe Ragnars würden in zwei Stunden hier sein. Eirik war extra langsam geflogen und hatte Lagertha den Weg gezeigt. Nun lag es an ihm, die Festung zu infiltrieren.
In einem günstigen Moment ging er in einen Sturzflug über und packte eine der Wachen mit dem Vorderbein. Um Schreie zu vermeiden, schüttelte er die Wache kraftvoll, bevor er sie am Fuß der Insel, außerhalb des Sichtfelds der Wachen, auf den Felsen ablegte. Dann nahm er seine Menschengestalt an und zog die Wache aus. Er brauchte ihre Kleidung, um unentdeckt in die Festung zu kommen. Tarnung war wichtig, wenn er bis zu den Kerkern kommen wollte. Die Rüstung hatte er schnell angelegt und dann zog er den Helm über. Auch wenn dieser einiges verbarg, die Schuppen um sein Auge waren definitiv noch zu sehen. Er musste also vorsichtig sein. Entschieden kletterte er die Felsen hinauf und suchte einen Eingang ins Fort. Er wurde fündig und die Wache dort schlief auch noch. Eirik lächelte, schlich an ihr vorbei und nahm dabei Schwert und Schild der Wache auf. Selbstsicher lief er durch die kalten, leeren Flure, hielt sich abseits von den Hauptwegen und arbeitete sich immer tiefer ins Innere der Burg vor. Eine Patrouille kam ihm entgegen, doch ein einfaches Nicken reichte, um weitergehen zu können. Eirik kam zum Kerker, doch die Türen waren verschlossen. "Scheisse..." fluchte er. Weit und breit war kein anderer Eingang zu sehen und auch keine Möglichkeit sich zu verstecken. Sein Blick zuckte hoch zur Decke. "Also gut..." So gut es ging schob er die Finger in die Lücken zwischen den Steinen und zog sich hoch. Seine Mühen wurden belohnt. Keine fünf Minuten später kam ein Wächter vorbei, welcher die Tür zum Kerker aufschloss. Eirik wartete, bis der Wächter rein ging, ließ sich fallen und stellte den Fuß in die Tür. Der Wächter, sichtlich verwirrt über die nicht schließende Tür, drehte sich um, nur um einen Knaufhieb von Eiriks Schwert direkt auf das Nasenbein zu kriegen. Sofort wurde er ohnmächtig und Eirik schnappte sich den Schlüsselbund von seinem Gürtel. Vorsichtig, um nicht auf dem Blut auszurutschen, was die Treppe hinunterlief, schlich er hinab in das Gewölbe. Stimmen verrieten ihm die Anwesenheit von weiteren Wachen. Sie standen mittig auf dem Flur, mit dem Rücken zu ihm und schienen nichts mitbekommen zu haben. So leise wie möglich näherte Eirik sich ihnen, doch seine Bemühungen wurden durch einen Gefangenen zunichte gemacht. Dieser begann, wie wild zu schreien und die Wächter fuhren herum. Eirik setzte zum Sprint an, rutschte auf den Knien unter dem Speerstich des ersten hindurch und durchtrennte seine Achillessehne. Dann sprang er auf, blockte den Schwerthieb des zweiten und konterte seinen Angriff tödlich. Dem zweiten versetzte er rasch einen Gnadenstoß. Der Tumult hatte keine fünf Sekunden gedauert. Mit festen Schritten eilte Eirik zu der Zelle, die von einer Fackel erleuchtet wurde. Er wusste, dass Brenna dort war. Er spürte es. Er kramte den Schlüssel hervor, welcher allerdings bei seiner Rutschaktion gebrochen war. Frustriert darüber, dass sein grandioser Plan von einem Deppen vereitelt wurde, warf er die Schlüssel beiseite und trat die gusseiserne Tür einfach aus den Angeln, bevor er zu dem Bündel eilte, was sein Schützling war. "Brenna." Sanft legte er ihr die linke Hand auf die Wange. Die Schuppen auf seinem Handrücken schluckten das Licht der Fackeln. Hoffentlich erkannte sie ihn auch unter der Wächteruniform und erschrak nicht aufgrund seines etwas entstellten Aussehens. Vorsichtig schob er seine Arme unter die ihrigen und zog sie auf die Füße. "Komm mit, Ich hole dich hier raus."

Eirik
Als er merkte, dass sie etwas wackelig auf den Beinen war, zog er sie lediglich auf seinen Rücken, bevor er Schwert und Schild wieder aufnahm. "Festhalten." befahl er, bevor er den Gang hinauf zur Tür spähte. "Hör zu, wir haben nicht viel Zeit. Deine Schwester hat mich gerufen und gebeten, dich zu retten. Genau das tue ich. Doch du musst genau das tun, was ich dir befehle, okay?" Er eilte hinüber zu einem Tisch und nahm ein Seil herunter. Schild und Schwert lehnte er kurz an, dann band er Brennas Hände mit dem Seil zusammen. "Vertrau mir." bat er sie. Während er Schwert und Schild wieder aufnahm, ertönte eine Stimme. "Und was ist mit uns?" fragte der Häftling, der ihn vorhin verraten hatte. Eirik trat, mit Brenna auf dem Rücken, an die Gitterstäbe. "Dich retten?" Seine Stimme klang kalt. "Nachdem du mich fast umgebracht hast? Versauer hier drin." Mit einem Tritt zwischen den Gittern hindurch beförderte er den Mann brutal in die hinterste Ecke seiner Zelle, wo er an die Wand schlug und zusammensackte. Eirik schnaubte, bevor er zur Tür eilte. Die Stufen waren nun spiegelglatt durch das Blut und Eirik musste sich echt bemühen, Brenna hinaufzutragen. Doch dann kam ihm eine bessere Idee. Er drehte um, setzte das Mädchen ab und ging zurück zu den toten Wachen. Rasch zog er einen der Männer aus. "Zieh das an." Er warf Brenna die Sachen zu. "Wie gut kannst du laufen?" Während er darauf wartete, dass sie sich umzog, hielt er den Eingang zum Kerker im Auge. Wenn jetzt jemand kam, waren sie geliefert.

Eirik
"Folge mir." befahl er, sobald sie fertig war und huschte die Treppe hinauf. Oben angekommen öffnete er vorsichtig die Tür und spähte in den Gang. Weit und breit niemand zu sehen. Eirik wank Brenna heraus und schloss die Tür hinter ihnen, bevor er erneut das Seil um ihre Hände band und sie sanft daran führte. Selbstsicher schlug er den Weg ein, den er gekommen war. Sein Plan schien aufzugeben. Doch kurz vorm Ausgang kam ihnen eine große Patrouille entgegen. Erst würdigten sie ihnen keines Blickes, doch plötzlich blieben die Männer direkt vor ihnen stehen und verstellten ihnen den Weg. "Du da. Was machst du mit der Kerkerwache?" fragte der Anführer der Männer und kam auf Eirik zu. "Ich hab ihn dabei erwischt, wie er dieser blonden Gefangenen Essen zugeschmuggelt hat. Du weißt schon, der Schwägerin von diesem Bastard Lothbrok. Ich werde ihn zum Wachhauptmann bringen." Der Mann sah ihm lange in dir Augen, dann nickte er. "Gut." Die Dunkelheit hatte ihn gerettet. Sie hatte sein Gesicht weitestgehend verborgen. Doch dann geschah das Unvermeidbare. Der Adjutant des Gruppenführers, welcher die Fackel trug, beugte sich ein Stück vor, um "die Kerkerwache" näher zu betrachten, sodass das Licht der Fackel auf Eiriks Gesicht fiel. Der Anführer sah ihn entsetzt an. "Das in deinem Gesicht... Sind das..." "Drachenschuppen, richtig." unterbrach Eirik ihn und bevor der Mann reagieren konnte, traf die Faust des Gestaltwandlers ihn am Brustbein. Wie von Thors Hammer getroffen wurde er zurückgeschleudert und riss dabei wie ein fallender Baum einen Großteil der Männer um. Eirik zögerte keine Sekunde und nutzte den Tumult, um Brenna an dem Seil zu packen, sie über seine Schulter zu werfen und loszurennen. Mit einem Satz sprang er über die liegenden Wachen. Leider hatte er zu viel Schwung. Eine Klinge sauste ihm entgegen und er schaffte es keinesfalls, rechtzeitig auszuweichen. Reflexartig riss er den rechten Arm hoch und wartete auf den stechenden Schmerz, doch ein dumpfes Klock verriet, dass die Klinge scheinbar auch dort Schuppen getroffen hatte. Eigentlich gar nicht so unpraktisch. Eirik konterte den Hieb mit herabsausender Klinge und sprintete dann los, nach draußen. Über Mauern und Dächer brachte er Brenna bis ans Ufer. Sie saßen in der Falle. Hinter ihnen klangen die Alarmglocken des Forts und eine ganze Meute Soldaten kam auf sie zu. Die Lage war aussichtslos. Dennoch trat ein Grinsen auf Eiriks Gesicht. Schützend stellte er sich vor Brenna. Und während die Blicke der Angreifer auf die tödliche Wolke aus Brandpfeilen gerichtet waren, die von Lagertha und ihren Schildmaiden auf die Reise geschickt wurden, leitete Eirik die Verwandlung ein. Ein lautes Brüllen verkündete, dass jeder, der sich dem Bündel zwischen seinen Hinterbeinen nähern würde, dem sofortigen Tod ins Auge sah. Beeindruckend spreizte er die Flügel und schickte seinen feurigen Atem in die Menge der anrückenden Soldaten. Ein wahrer Bringer des Todes, der das zittrige blonde Mädchen schützte, was so hilflos auf den Felsen lag.

Lagertha
Das Salzwasser spritzte als Dutzende Paar Füße in die Brandung klatschten. Die Krieger sprangen aus den Langbooten und nutzten die Furcht, die der gewaltige Drache unter den Gegnern sähte, gegen diese. Auch einige ihrer Leute machten einen Bogen um das Wesen, doch Lagertha stellte erfreut fest, dass ein paar Frauen und ihr Mann Ragnar sich vor und neben Eirik versammelt hatten und die Beine des Drachen schützten so gut es ging, während das Vieh mit seinem Feueratem wiederrum sie beschützte. Sofort eilte Lagertha zu Brenna. Neben ihr auf die Knie fallend zog sie ihre Schwester hinter ihren Schild um eventuelle Pfeile abzuwehren. "Brenna!" Ihr Blick fiel auf die Fesseln. "Er hat dich gefesselt?!? Das war aber nicht abgemacht!" Sofort schnitt sie das Seil durch und half Brenna auf die Beine. "Komm, wir hauen hier ab."

Lagertha
Sie verdrehte die Augen, als Brenna sich in den Kampf stürzen wollte. "Das ist aber nicht die Mission. Du bist verletzt und geschwächt. Wir holen dich hier raus und machen uns auf den Heimweg." stellte sie klar und half Brenna auf die Füße, um sie zum Schiff zu bringen. "Wir haben sie! Rückzug!" befahl sie lauthals und begann, Brenna zum Schiff zu eskortieren, während sich um sie herum langsam Kriegerinnen Und Krieger zurückzogen.