Lagertha
Das Klopfen löste Lagertha aus ihrer krampfhaft besorgten Haltung. Sie sprintete nahezu zur Pforte, um zu öffnen. Und tatsächlich! Es war ihre SChwester, die vor ihr stand. "Brenna! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!" Schnell zog sie das Mädchen in die warme Hütte und platzierte sie vorm Feuer, bevor sie einen Haufen Felle und heißen Tee holte. "Wo warst du? Ich bin vor Sorge fast umgekommen!"

Lagertha
"Deine Rettung?" fragte Lagertha verwundert. "Wer treibt sich denn, außer so verrückten Wesen wie dir, bei den Temperaturen im Wald rum? Bitte, sag jetzt nicht, dass es der Wildling war." Während sie sprach, rührte Lagertha in dem Topf mit dem heißen Eintopf herum, der auf dem Feuer stand. Schnell schöpfte sie eine Schale daraus ab und drückte sie ihrer kleinen Schwester in die Hand.

Lagertha
Ihre Bewegungen stockten. "Brenna, was hast du da draußen schon wieder erlebt?" fragte sie schärfer als beabsichtigt. So langsam machte sie sich ernsthafte Sorgen um das Mädchen. Immer und immer wieder geriet sie in Schwierigkeiten. Ob es mit Eirik zusammen hing? Es schien sich zu mehren seit Brenna diesen Mann kannte. Lagertha grübelte. Den Kontakt konnte sie ihrer Schwester allerdings schlecht verbieten. Sie sollte Eirik doch dazu bewegen, ein Verbündeter zu werden!

Lagertha
"DER DRACHE?" fragte sie, deutlich lauter als beabsichtigt. "Das Wesen, was für den Tod unserer Eltern verantwortlich ist? Und du hast über Nacht mit ihm gekuschelt?" Nun war ihr Verständnis wirklich am Ende. Gut und schön, dass Brenna nicht als Abendessen geendet ist, aber eine Nacht mit dem Drachen zu verbringen, auch wenn es noch so kalt war, war für Lagertha einfach unverständlich. "Hast du schon vergessen, dass seinesgleichen Mutter und Vater bei lebendigem Leib gebraten haben? Dass sie verantwortlich dafür waren, dass wir bei Onkel Sigurd aufgewachsen sind, der mich geschlagen hat, wenn ich nicht spurte?" Tränen stiegen in Lagerthas Augen. Plötzlich flog die Tür auf. Ragnar kam herein. "Was ist hier los?" fragte er, scharf, aber kühl. "Brenna hat sich mit dem Drachen angefreundet." Ragnars Augenbrauen zuckten erstaunt in die Höhe. "Eine solche Bestie kennt keine Freunde." gab er zurück. "Vielleicht solltest du ein paar Tage drinnen bleiben und über dein Verhalten nachdenken." fuhr er fort. "Als dein Jarl verbiete ich dir, die große Halle zu verlassen. Das Verbot gilt für die nächsten zwei Wochen. Ende der Diskussion." Mit diesen Worten wandte Ragnar sich zum Gehen.

Eirik
Es war etwas früher als vereinbart, als Eirik am Treffpunkt eintraf. Natürlich hatte "ihm der Drache alles erzählt", sodass Eirik bereits voll im Bilde war. Jedoch fragte er sich noch immer, was Brenna von ihm wollte. Die Schneeberge der letzten Woche waren geschmolzen, doch noch immer bedeckte ein zarter weißer Flaum den Boden. Eirik saß auf einem Stein, den dicken Mantel mit dem Wolfsfell daran über die Schultern gelegt und die beiden Äxte auf seinen Oberschenkeln. Ein einzelner Lichtstrahl drang durch die Bäume, genau auf die Stelle wo er saß. Eirik hatte sich das nicht ausgesucht, doch die schwache Wintersonne spendete ein wenig Wärme und erfreute ihn in diesem tristen Grau des Winterwaldes. Der zugefrorene Teich neben ihm knackte gelegentlich, wenn sich das Eis verschob. Doch das Knacken waren nicht die Geräusche, auf die er wartete. Er wartete auf das Knirschen von Schritten im Schnee. Sein Herz raste bei dem Gedanken, dass Brenna hier gleich auftauchen würde. Er musste sich eingestehen, dass diese Frau sein Herz im Sturm erobert hatte, auch wenn er das niemals öffentlich zugeben würde. Und auch ihr gegenüber würde er sich zurückhalten. Es würde alles nur zu Schwierigkeiten führen.

Eirik
Eigentlich sollte sie nicht hier sein? Was machte sie denn dann hier? Verstehe mal einer die Frauen. Sie hatte dieses Treffen doch überhaupt erst vorgeschlagen. Ohne Umschweife kam er also zum Thema. "Du wolltest mich treffen?" fragte er und sah sie fragend an. Ihre Verspätung war ihm relativ egal. Er hatte Zeit und war selber eigentlich auch nie der Pünktlichste. Immer wieder kreisten seine Gedanken zu ihren gemeinsamen Momenten. Er mochte sie wirklich. Und sie war so hübsch, wie sie da im Licht stand, goldene Reflexe in den blonden Haaren.

Eirik
Während sie sprach, begann sein Herz wieder zu wummern wie verrückt. Sie hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als er schon aufgestanden und zu ihr gegangen war. "Ich dachte schon, du gestehst das nie." kommentierte er grinsend, während er sanft ihr Kinn hob, um sie zu küssen. Doch ein langsames Klatschen und schmerzhaft vertraute Worte aus der Dunkelheit des Waldes ließen Eirik erstarren. "Dovahkin, Dovahkin, naal ok zin los vahriin..." Das Lied des Drachen... Sofort entflammte Schmerz in seinem Körper. Ragnar trat aus den Schatten hervor. "Ragnar, tu das nicht." keuchte Eirik, zwischen schmerzerfüllten Atemzügen. "BITTE!" Doch sein Halbbruder fuhr einfach fort. "Wahdein vokul mahfaeraak ast vaal! Ahrk fin norok paal graan, fodnust vok zin dro zaan. Dovahkiin fah hin kogaan mu draal!" Falls danach noch weitere Worte in der Drachensprache fielen, bekam Eirik es nicht mehr mit. Er spürte, wie sich seine Muskeln verkrampften, Knochen brachen und Gewebe verformte sich. Seine Schmerzensschreie wurden tiefer, zum Kreischen des Drachen. Einzelne Tränen fielen von seinen Wangen und verdampften in der kalten Winterluft. "Brenna, lauf weg!" war das letzte, was er mit der tiefen Stimme des Drachen hervor brachte, bevor sein Verstand in der hintersten Ecke seines Bewusstseins eingepfercht wurde und der Drache die Oberhand übernahm.

Lagertha
Als plötzlich sowohl Brenna als auch Ragnar fehlten, hatte Lagertha ein ganz übles Gefühl. Schnell zog sie ihren Mantel über und folgte den Fußspuren zum Schauplatz diesen schrecklichen Ereignisses. Sie sah noch, wie Eirik sich seltsam verkrampfte. Seine Haut wurde schwarz, aus seinem Rücken brachen Flügel hervor. Sie sah, wie Ragnar Brenna festhielt. Sie hörte seine Rufe. "DU BIST IN EIN MONSTER VERLIEBT! IN EINEN MASSENMÖRDER!" Und sie sah die heißen Tränen des Drachenmannes. "Ragnar, lass sie gehen!" schrie sie. Doch ihre Worte schienen nicht anzukommen. Sie sah wie der Drache, nun fertig verwandelt und mit bösartig funkelnden schwarzen Augen, das Maul aufriss. Wie das Feuer im Rachen der Bestie aufglomm. Und sie tat das einzig richtige: Sie riss ihren Schild hoch - ein Glück, dass sie ihn mitgenommen hatte - und sprang vor, Schwester und Gatten aus dem Weg und damit auch aus dem tödlichen Flammenstrahl tackelnd. "Lauft!" schrie sie, sobald sie wieder auf die Füße kam. "Lauft!"

Lagertha
Mit verbranntem Schild und sonst gänzlich unbewaffnet fand sich die Schildmaid im Antlitz das Drachen wieder, welcher Rauch aus den Nüstern schnaubte und langsam auf sie zu kam. Lagertha hob den Schild, nun sicher, ihre letzten Augenblicke zu leben. Doch plötzlich schüttelte der Drache den Kopf, wie als würde er eine lästige Fliege vertreiben wollen. Er stolperte zur Seite, ging auf ein Vorderbein runter und schlug mit dem Kopf gegen einen der umstehenden Bäume. Lagertha zögerte nicht lange. Eilig rannte sie ihrem Mann, der sich mit dem Schwert deckend langsam zurück zog, und ihrer Schwester hinterher. Erneut erklang das Schreien des Drachen und die Schildmaid vernahm das Donnern der Flügel. Doch das Brüllen verklang. Der Drache schien seine Zerstörungswut nicht an Kattegat auslassen zu wollen. Schwer atmend kam Lagertha zeitgleich mit Ragnar auf einer Anhöhe zu stehen. Dieser schob gerade sein Schwert in die Scheide, als seine Frau wie eine Furie auf ihn zu kam. "Bei den Göttern, was ist in dich gefahren?!?" Die Ohrfeige, Die sie ihm verpasste, schallte durch den ganzen Wald. "Du hättest euch beide beinahe umgebracht. Völlig sinnlos!" "Nicht sinnlos..." hielt Ragnar leise gegen. "Deine Schwester verkehrt mit einem Monster." Lagerthas Hand fand Ragnars Wange ein zweites Mal in einer Ohrfeige. "Die einzige, Die momentan mit einem Monster verkehrt, bin ich! Was ist dein Problem verdammt? Brenna und Eirik lieben einander. Er tut ihr nichts und das obwohl er ein riesiges schuppiges Untier ist, wie du gerade so glamourös festgestellt hast. Also warum in aller Welt lässt du sie nicht einfach in Ruhe? Ist es, weil du Eirik nicht in der Familie haben willst? Weil man unweigerlich sieht, dass er dein Halbbruder ist? Geht es dabei um den Ruf deines Vaters, der ja offensichtlich einen Drachen geschwängert hat?" Ragnars Schweigen verriet ihr mehr als sämtliche Worte es vermocht hätten. Ja, genau darum ging es. Ragnar fürchtete sich vor Eirik und den Auswirkungen, die sein Erscheinen auf ihn haben könnten. Lagertha sah es in seinen Augen. "Rede doch einfach mal mit ihm, statt ihn zu jagen. Vielleicht versteht ihr euch ja besser, als du denkst..." sagte sie leise zu ihrem Mann. Sie war ihm nicht mehr böse. Sie konnte ihm nie lange böse sein. Doch nun drehte sie sich zu ihrer Schwester um. "Brenna, egal was passiert, ich halte zu dir. Wenn du Eirik wirklich liebst, dann solltest du ihn suchen gehen. Ich denke, Er braucht dich jetzt."