Sienna
Für den Hauch einer Sekunde hatte ich das Gefühl, dass Aidan mit meiner Entscheidung nicht zufrieden war. Allerdings schien er ganz normal zu sein, so wie immer eben. Vermutlich war ich nach Miras Äußerung etwas paranoid geworden. "Mach das." erwiderte ich lächelnd und löste mich von ihm. "Ich probier nochmal Ethan zu erreichen." meinte ich dann und machte mich auf den Weg ins Innere des Hauses. Das Gepäck trug sich schließlich auch nicht von alleine nach draußen.

Sienna
Als ich erneut versuchte, meinen Bruder zu erreichen, hatte ich mehr Glück. Ethan nahm bereits nach dem dritten Tuten ab, doch ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Während wir den üblichen Smalltalk führten und ich ihm davon erzählte, wie ich die letzten Wochen verbracht hatte, verstärkte sich dieses Gefühl. "Wie geht es Papa?" wollte ich nach einer Weile wissen. Ich hörte ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht." antwortete er zögerlich. "Wie du weißt es nicht?" hakte ich energisch nach. Wie konnte er denn nicht wissen wie es unserem Vater ging? Die beiden wohnten doch unter einem Dach. "Ich weiß es nicht, weil ich vor ein paar Tagen untergetaucht bin. Ich habe derzeit ein paar Probleme, aber ist alles nur halb so wild." sagte er so sachlich wie immer wenn etwas nicht nach Plan lief. "Ich muss jetzt leider wieder los. Mach dir keine Sorgen und sei bitte vorsichtig." sagte er und hielt einen Augenblick inne. "Auch im Bezug auf Aidan. Du solltest sein Benehmen häufiger in Frage stellen und ihm nicht immer blauäugig jedes Wort glauben." Bevor ich nachfragen konnte, worauf Ethan mit seiner Bemerkung anspielen wollte, legte er auf. Nun war ich komplett verwirrt. Mir war klar gewesen, dass mein Bruder noch immer kein großer Fan von Aidan geworden war, doch eigentlich hatte ich gedacht, er hätte ihn mittlerweile akzeptiert.

Sienna
Ich zuckte unwillkürlich zusammen, als ich Aidans Stimme wahrnahm. "Moment, ich komme gleich!" rief ich zurück. Ich hatte jetzt keine Zeit mir den Kopf über Ethans Worte zu zerbrechen, doch er hatte damit mein Misstrauen geweckt. Ein leises Seufzen entfuhr mir. Es gefiel mir nicht, dass Ethan es mit wenigen Sätzen geschafft hatte, mich gegen meinen Freund aufzuhetzen. Ich ließ das Smartphone in meiner Hosentasche verschwinden und eilte zu Aidan und dem Taxifahrer. "Hast du alles eingepackt?"

Sienna
"Danke." murmelte ich kaum hörbar, als Aidan mir die Tür aufhielt und ich kurz daraufhin ins Taxi stieg. Als er gleich auf das Telefonat mit meinem Bruder zu sprechen kam, stieg das Misstrauen weiter in mir an. Wieso interessierte es ihn so brennend, worüber wir gesprochen hatten? Oder war ich doch zu paranoid und er fragte nur aus reiner Höflichkeit, ohne jeglichen Hintergedanken? "Leider nicht so viel. Er war gerade auf dem Sprung." antwortete ich schlicht und warf Aidan ein flüchtiges Lächeln zu. "Ich soll dir übrigens einen Gruß ausrichten." sagte ich, ehe ich erneut aus dem Fenster sah.

Sienna
Ich schmunzelte zufrieden, als Aidan sich über die ausgerichtenden Grüße zu freuen schien, und betrachtete weiterhin die Umgebung durchs Fenster. "Ja, denke schon." antwortete ich schulterzuckend und sah ihn fragend an. "Wieso fragst du?"

// Kein Problem, ist mir auch schon öfters passiert :D

Sienna
"Verstehe." antwortete ich und nickte leicht. "Beschäftigen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich versuche nur mir über ein paar Dinge klar zu werden." erklärte ich ohne ins Detail zu gehen. Denn selbst wenn ich mit ihm darüber reden wollen würde, saßen wir mit einem unbeteiligten Menschen im selben Auto. Das machte das Ganze unmöglich und das war auch gut so. Sonst hätte ich womöglich doch irgendwann wieder nachgegeben und so konnte ich in Ruhe über alles nachdenken ohne mich von einer Antwort seinerseits beeinflussen zu lassen.

Sienna
Als Aidan mir nicht mehr antwortete, war das Thema für mich erledigt. Nachdenklich blickte ich erneut aus dem Fenster und beobachtete die Gegend. Spätestens jetzt hatte er wohl an meinem Verhalten bemerkt, dass ich ihm etwas verschwieg, doch es war mir egal. Bei mir konnte man wenigstens noch unterscheiden wann ich log und wann ich die Wahrheit sprach, was man von Aidan nicht behaupten konnte. Ich bemerkte, dass mich die Geheimnisse, die er vor mir hatte, doch tiefer trafen als ich zuvor angenommen hatte. Es verletzte mich, was dazu führte, dass ich ein Stück weit auch sauer auf ihn war. Obwohl er in letzter Zeit meist ehrlich gewesen war.. jeden Falls im Gegensatz zu der Zeit, in der wir uns kennengelernt hatten. Ich unterdrückte ein Seufzen. Ich zerbrach mir so sehr den Kopf darüber, ob Ethan vielleicht doch von Anfang an recht gehabt hatte, dass ich nicht mal den Menschen beachtete. Dabei hatte ich vor wenigen Stunden noch versucht einen umzulegen, nur um an sein Blut zu kommen.