Sienna
Unmittelbar nach dem Aidan den Raum verlassen hatte, verdrehte ich genervt die Augen. Jetzt wollte ich ihm einmal etwas nicht erzählen und er stellte mich direkt an den Pranger. Dabei war er selbst doch kein Stück besser. Als ich ihn kennengelernt hatte, war beinahe in jedem seiner Sätze eine Lüge enthalten gewesen und das ging über mehrere Wochen so. Zwar hatte Aidan mich in letzter Zeit nicht mehr angelogen, aber er verschwieg mir doch einiges. Ich horchte auf, als ich hörte wie Aidan die Tür, in dessen Zimmer er mit seinem Gepäck verschwunden war, abschloss. "Und zu mir was sagen.." murrte ich wütend vor mich hin. Nur wenige Augenblicke später stieg mir der Geruch von Rauch in die Nase. Aidan machte wohlkaum den Kamin an, weil es in Spanien so kalt war und er als Vampir fror. Und er war eingeschnappt, weil ich ihm Dinge verheimlichte? Den Mann sollte mal einer verstehen. Er war noch keine 5 Minuten zurück und wir hatten uns schon wieder in den Haaren. Die nächsten Tage konnten ja nur noch besser werden.. aber hey, wenigstens waren meine Kopfschmerzen verschwunden.

Sienna
Nach dem die Wut über Aidans mir so unverständlichem Verhalten beinahe vollkommen verblasst war, stimmte mich der Streit traurig. Ich hatte Aidan während seiner Abwesenheit wirklich vermisst und mich so darauf gefreut ihn bald wieder zu sehen und jetzt sah er mich nicht einmal mehr mit dem Hinterteil an. Alles nur wegen so einer Lappalie.

Sienna
Gelangweilt lag ich noch immer im Bett und spielte mit einer Haarsträhne, während ich über den fremden Vampir nachdachte. Ich fragte mich, wieso es ihm so wichtig war, dass ich wusste wie sonderbar meine Fähigkeiten waren und das ich übte, sie zu kontrollieren. Ob er bald wieder versuchen würde Kontakt zu mir aufzunehmen? Und was war, wenn er dies nicht tat und ich seinen Rat benötigte? Ich wusste nicht wer er war oder wie ich ihn erreichen konnte. Kopfschüttelnd schob ich den Gedanken beiseite und stand auf, um mich nach Aidan umzusehen. Ich hatte schon länger keine Geräusche mehr gehört und das erschien mir doch recht seltsam. Vielleicht zählte ich aber auch einfach nur zu den verrückten Freundinnen, die immer wissen wollten wo sich ihr Partner gerade aufhielt und was er anstellte. "Aidan?" rief ich mehrmals, als ich durch den großen Altbau lief und Zimmer um Zimmer nach ihm absuchte. Wo steckte er bloß? Bevor ich raus ging, um nachzusehen ob sein Wagen noch in der Auffahrt stand, zog ich die Kapuze meiner Jacke über und steckte die Hände in die Jackentaschen, um mir nicht aufgrund der Sonnenstrahlen die Haut zu verbrennen. Als ich feststellte, dass sein Auto noch da war, fiel mir spontan nur noch ein, dass Aidan vielleicht auf die Jagd gegangen war. Aber dann hätte er doch bescheid gegeben.. nicht? Umso mehr Zeit verstrich, während ich durch den Wald lief und dem mir so vertrauten Geruch Aidans folgte, desto mulmiger wurde mir zu Mute. Ich hatte das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Als mir der Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase stieg, schoss mir nur eins durch den Kopf: Aidan! Schneller als jemals zuvor rannte ich durch den Wald. Zu groß war die Angst, dass ihm etwas schlimmes passiert war und ich zu spät kommen würde. Entsetzt weiteten sich meine Augen, als ich ihn mit dem Rücken zu mir im Wasser stehen sah und beobachtete wie durch die vereinzelten Sonnenstrahlen seine Haut verbrannte. Was war nur in ihn gefahren!? Ich war nur noch wenige Meter von ihm entfernt, als ich einen heftigen Schmerz verspürte und mir ein Aufschrei entfuhr. Unbewusst hatte ich beim rennen die Hände aus den Taschen genommen und mir diese verbrannt, als ich aus dem dichten Schatten der Bäume getreten war. "Was soll der Mist!?" rief ich Aidan wütend zu, nach dem ich mit ein paar Schritten zurück in den Schatten gewichen war. Wieso stand er einfach nur so da und ließ den Schmerz über sich ergehen? "Komm sofort aus dem Wasser raus!" Meine Stimme klang ungewohnt herrisch und ohne es zu wissen, setzte ich den Zwang gegen ihn ein.

Sienna
Ich schnappte mir seine Klamotten, die auf einem der umgefallenen Baumstämme lagen und legte sie ihm über die Schultern, damit sie wenigstens einen Teil seiner Haut vor der Sonne schützten. Dabei verbrannte ich mich erneut, doch es war mir egal. Zu groß war die Sorge um Aidan. Ich zog ihn an der Hand in den Schatten. "Du kannst mir doch nicht so eine sche*ß Angst einjagen! Was hast du dir dabei gedacht?" redete ich panisch auf ihn ein. Ich war total durch den Wind und verstand nicht warum er sich sowas antat. Es schmerzte ihn so zu sehen, mehr als meine eigenen Verbrennungen. "Wieso tust du sowas? Du kannst doch nicht einfach-" Ich wusste gar nicht was ich dazu sagen sollte, weswegen ich verstummte und ihn einfach nur voller Sorge ansah. Ich bemerkte wie mir die Tränen in die Augen stiegen. Ich hatte eine solche Angst um ihn gehabt. Ich dachte, es wäre sonst was mit ihm passiert.. In diesem Moment merkte ich wieder einmal, wie sehr ich Aidan wirklich liebte. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, wenn er irgendwann nicht mehr an meiner Seite sein würde.

Sienna
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ist es nicht." widersprach ich, noch immer völlig neben der Spur, wobei ich ihm wohl oder übel in die Augen sehen musste. "Gar nichts ist in Ordnung." Mit den letzten Tagen hatte sich einfach alles angestaut und das gab mir gerade den Rest. Ich sehnte mich einfach nach ein bisschen, wirklich nur einem kleinen bisschen, Normalität. "Mag sein, dass es dich nicht umbringt, aber in dem du dir weh tust, machst du mir auch weh. Willst du das etwa?" fragte ich leise, in der Hoffnung, dass ich ihn so davon abhalten konnte, so etwas nochmal zu tun.

Sienna
Ich überlegte einen Augenblick, ob ich mir gerade zum lachen oder eher zum heulen zu Mute war. "Ich weiß nicht.." antwortete ich leise, während ich ihn fragend ansah. Er schien es wohl witzig zu finden, mich so verrückt zu machen. "Vielleicht ein bisschen."

Sienna
"Zu viel." seufzte ich kaum hörbar. "Du wirst nicht nachlassen bis ich es dir gesagt habe, oder?" murmelte ich, grübelnd darüber, was und wie viel ich ihm erzählen sollte. Etwas musste ich ihm antworten, das war klar, sonst würde er mich wie ein schweizer Käse mit Fragen löchern. "Du sagtest ja mal, dass diese besonderen Fähigkeiten bei den meisten Vampiren erst nach einigen Jahren zum Vorschein kommen." began ich nachdenklich. "Ich glaube, ich hatte da nicht so viel Glück.." Ich erzählte Aidan was im Wald passiert war, nach dem ich herausgefunden hatte wer der Mörder meiner Mutter war. Wie wütend ich gewesen war, wie sehr mir die Eule auf die Nerven gegangen war und wie skrupellos ich mir im Nachhinein vorkam. "Ich weiß, es hört sich albern an.." endete ich leise. Aidan hatte in seinem Leben bereits unzählige Menschen getötet und ich trauerte einem Federvieh nach. Das war wieder einmal ein Beweis dafür wie unterschiedlich wir uns doch waren. "Ich habe einfach Angst, dass es wieder passiert und das möchte ich nicht." Innerlich hoffte ich darauf, dass er sagen würde, ich hätte mich geirrt und das ich mir um nichts Sorgen machen müsste.. doch das erschien mir doch eher unwahrscheinlich.