Sienna
Ich setzte ein höfliches Lächeln auf. "Freut mich sie kennenzulernen, Iosef." sagte ich und schüttelte seine Hand. Als sie auf russisch weitersprachen verstand ich natürlich nur Bahnhof, aber ich ging davon aus, dass es sich um Smalltalk handelte. Ich sah Aidan kurz hinterher, als er den Raum verließ, ehe ich zu dem Russen rüber sah. "Eine gefühlte Ewigkeit." antwortete ich wahrheitsgemäß, noch immer lächelnd. Ich hatte absichtlich ausweichend geantwortet. So blieb ich zwar bei der Wahrheit, aber plauderte nicht zu viel aus. Aidan hatte mich gewarnt, dass es besser war, wenn Iosef nicht zu viele persönliche Dinge über uns kannte. "Und Sie?"

Sienna
Mein sanftes Lächeln wurde von einem mysteriösen Grinsen überspielt. "Nun, ich kenne ihn noch nicht lange genug, um das beurteilen zu können, aber wenn Sie das sagen, wird es wohl so sein." entgegnete ich, auch wenn ich am liebsten gesagt hätte, dass manche auch einfach zu schnell alt wurden. Das hätte er unter Umständen allerdings in den falschen Hals bekommen können. "Reisen Sie viel?" fragte ich dann interessiert. Immerhin war seit seinem Telefonat mit Aidan und seinem Auftauchen nicht mal ein Tag vergangen.

Sienna
Lediglich ein Privatflugzeug, wenn es weiter nichts war.. So ein Teil kostete ja auch überhaupt gar kein Geld. "Ich weiß seine Gesellschaft sehr zu schätzen." meinte ich, während ich den Russen aufmerksam betrachtete. Er hatte etwas eigenartiges an sich. Etwas schlechtes, beinahe unangenehmes. Es war schwer zu beschreiben, aber er zählte wohl zu der Art von Menschen, die einem problemlos einen Schauer über den Rücken jagen konnten, wenn er es darauf anlegte. Sie nannten Aidan also den schwarzen Mann. Das erinnerte mich direkt an das Spiel, welches wir als Kinder immer in der Schule gespielt hatten. Allerdings fragte ich mich eher in was genau Aidan denn unübertroffen war. Ich traute mich jedoch nicht die Frage laut auszusprechen. Nicht weil ich Angst vor der Antwort hatte, sondern eher weil ich nicht zu neugierig wirken wollte. Manchmal war es einfach besser nicht zu viele Fragen zu stellen. Besonders bei solchen Leuten musste man aufpassen.

Sienna
Mein Gesichtsausdruck blieb auch während seinen folgenden Worten relativ neutral. Auch als Aidan das Zimmer betrat und dem Russen ein beinah verächtlichen Blick zu warf. Zwar hatte ich mein loses Mundwerk nicht immer unter Kontrolle, aber die Sache mit dem Pokerface hatte ich drauf. Zu Mal Aidan im Bezug auf Iosef und dem guten Geld, welches er für die Aufträge bezahlte, so etwas schon angedeutet hatte. Also war es keine große Überraschung was Aidan für sein Geld tat, aber trotzdem war die Gewissheit wieder etwas vollkommen anderes als die reine Vermutung. Als die beiden dann auf russich weitersprachen, driftete ich mit meinen Gedanken ab. Ich hatte nicht vor mich ewig von Aidan aushalten zu lassen, auch wenn es ihm offensichtlich nichts ausmachte. Allerdings hatte ich nicht vor in die gleiche Brance wie er einzusteigen. Dafür war ich einfach nicht gemacht. Harte Schale, weicher Kern. Mit anderen Worten, ich war zu soft für 'so etwas'. Zwar war die Idee absurd, aber ein normaler Job müsste doch auch als Vampir möglich sein.. oder nicht?

Sienna
Während des restlichen Gesprächs hatte ich geschwiegen und vor mich hin gegrübelt. Eine Lösung war mir allerdings nicht eingefallen. Ein einfacher Aushilfsjob war wohl die einzige Möglichkeit bei den ständigen Umzügen. Außerdem brauchte man dafür keine besonderen Qualifikationen. Allerdings würde ein Aushilfsjob nicht genug Geld einbringen. Das würde vorne und hinten nicht ausreichen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen Aidan sein Geld auf diese Art und Weise verdienen zu lassen. Auch wenn meine eigene Familie kein deut besser war. Wie ich vor einigen Wochen erfahren hatte, verdiente der Großteil meiner Verwandtschaft ihr Geld in dem sie Vampire aufspürten und töteten. Mein Ex Freund war ebenfalls ein Jäger gewesen und nun war ich mit einem Vampir liiert, der als Auftragskiller arbeitete. Da war es doch kein Wunder, dass ich langsam verrückt wurde.. Ich stand auf und ging ein paar Schritte auf Aidan zu, als dieser zurück kam. "Mach dir um mich keine Gedanken." sagte ich und lächelte ihm aufmunternd zu. Er hatte so etwas schon angedeutet, also war er ehrlich gewesen. Mehr hatte ich von ihm nicht verlangt. Zwar war die direkte Konfrontation nochmal ein Schlag ins Gesicht gewesen, doch vermutlich hatte ich das noch nicht ganz verarbeitet, um jetzt einen Nervenzusammenbruch zu bekommen und alles und jeden zu verfluchen. Das würde mit großer Sicherheit später noch folgen, wenn der Schockzustand nachließ. "Ich komme schon klar damit." Zumindestens hoffte ich das.

Sienna
Mir entfuhr ein Seufzen als Aidan ohne ein weiteres Wort den Raum verließ. Nachdenklich fuhr ich mir durch meine dunklen Locken und ließ mich erneut auf das Sofa fallen. Eigentlich hatte ich vorgehabt Aidan nochmal auf meine Bedenken anzusprechen bevor er abreiste, aber es würde die ganze Situation nur noch schlimmer machen. Es fiel ihm ohnehin schon schwer, das war offensichtlich. Er tat es für mich, für uns und nicht weil es ihm Spaß machte. Es war schnell verdientes Geld und es war leider nicht so, dass wir es nicht nötig hätten. Ich lauschte um zu wissen wann Aidan mit packen fertig war. Als keine Geräusche mehr zu hören waren, wartete ich noch einen kurzen Moment, ehe ich ihn aufsuchte. "Wie lange wirst du ungefähr weg sein?" fragte ich leise und lehnte mich gegen den Türrahmen.

Sienna
Ich nickte schwach. "Okay." sagte ich kaum hörbar. Mein Blick war weiterhin auf Aidan gerichtet. Er sah niedergeschlagen aus, was verständlich war und doch war es ungewohnt ihn so zu sehen. "Hör zu, ich werde dir keine Vorwürfe machen oder versuchen dir vorzuschreiben was du zu tun und zu lassen hast. Dazu habe ich nicht das Recht. Es ist ganz allein deine Entscheidung wie du dein Geld verdienst." sagte ich und ging vor ihm in die Hocke, um auf gleicher Augenhöhe mit ihm zu sein. "Ich weiß, dass wir das Geld brauchen und ich weiß es zu schätzen was du tust, denn ich.. ich könnte es nicht."

Sienna
Es war erstaunlich wie sachlich er blieb. Jedoch hatte er auch 800 Jahre lang Zeit gehabt seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Er war schon lange kein Teenie mehr, der rumzickte wenn ihm etwas nicht passte, heulte weil ihm alles zu Kopf stieg oder nur das Gute in allem und jedem sehen wollte. Er war nicht so wie ich. Wir waren eher komplette Gegensätze, die alleine wohl hoffnungslos waren. Doch zusammen müssten wir eigentlich einen guten Ausgleich abgeben, nicht? Ich hatte es nicht sicher gewusst, aber bereits geahnt, dass seine Frau getötet worden war. So verletzt und verbittert er zugleich aussah, wenn er über sie sprach, so selten wie das vorgekommen war. Er musste sie wirklich sehr geliebt haben. Wenn ich mir vorstellte Aidan durch die Handlung eines anderen zu verlieren.. Nun, ich wüsste nicht was ich mit dem Schuldigen machen würde. Vielleicht würde ich genauso handeln, vielleicht würde ich auch Gnade weichen lassen. Ich hielt Rache und Selbstjustiz nicht für sinnvoll, aber aus eigener Erfahrung wusste ich wie schnell man da rein rutschen konnte und wenn man sich erst einmal darin verfangen hatte war es schwer wieder rauzukommen. "Das wird nicht passieren, weil ich es nicht zu lassen werde." sagte ich mit ruhiger Stimme nach dem ich mich wieder aufgerichtet hatte. Jedoch hatte ich absichtlich kein Versprechen dran gehängt. Ich hielt mein Wort immer ein. Doch bei dieser Sache war ich mir nicht sicher, ob ich es auch hätte halten können. Es war erschreckend und irgendwie auch krank was er im Laufe seines Lebens Menschen alles angetan hatte. Doch es war nicht das was ihn ausmachte. Nicht für mich. Er war liebenswert, mehr als die meisten Menschen die ich kannte und ich würde alles tun um ihm dabei zu helfen seine Menschlichkeit zu wahren. Doch versprechen, dass dies auch funktionieren würde, konnte ich nicht. "Komme mir ja heil wieder zurück." bat ich ihn als er zu seiner Tasche griff. Es war zwar unwahrscheinlich, dass ihm etwas zustoßen würde, aber nicht unmöglich. Zu Mal ich mich um Aidan immer sorgte. Ich konnte nicht anders, selbst wenn ich wollte.