Ethan
Ich war mir nicht ganz sicher. Entweder hatte der Vampir mich in seinem Wahn nicht erkannt, er hatte nur so getan oder er hatte mich erkannt und es war ihm einfach nur egal gewesen. Schwer zu sagen. Beinahe erleichtert atmete ich auf, als Aidan schließlich über den Dächern Roms verschwand. Ich ließ meinen Blick über meine toten Kollegen schweifen. Die meisten hatte ich nur flüchtig gekannt, dennoch war es nicht schön sie alle so zu sehen. Ich murmelte ein leises "Ruht in Frieden." vor mich hin, ehe ich mich auf die Worte, die durch das Funkgerät in mein Ohr drangen, konzentrierte. Es waren bereits mehrere kleine Jägergruppen auf dem Weg hierher, um sich ein Bild der Lage zu machen. Ob er Schützling noch am Leben war, ob ein Teil der Jäger überlebt hatten und ob der Täter gefasst worden war. In diesem Fall hätte meine Antwort wohl zu allem 'negativ' lauten müssen, doch ich schwieg. Wenn sie mich hier als einziger Überlebender vorfinden würden, würden sie 1 und 1 zusammen zählen. Die Vorfälle aus Cork hatten sich damals wie ein Lauffeuer verbreitet und waren noch immer in aller Munde. Mir blieb nichts anderes übrig als vorerst unterzutauchen.

Sienna
Ich lehnte mit dem Rücken an der rauen Rinde des Baumes. Ich wusste nicht was da vorhin in mich gefahren war. Dieser endlose Hass war urplötzlich in mir aufgestiegen. Das war bis zu einem gewissen Maß nachvollziehbar, jetzt wo ich wusste wer der Mörder meiner geliebten Mutter war. Doch das ich so die Kontrolle über meine Gefühle und Handlungen verloren hatte war mir schleierhaft. Ich hatte doch nur daran gedacht, dass die Eule für immer schweigen sollte. Ich musste zugeben, dass ich es in dem Moment auch irgendwie gewollt hatte.. Ich wollte sie leiden und sterben lassen. Genauso wie die Kleintiere und die Rehe. Es machte mir Angst, dass ich so gefühlt hatte und noch mehr fürchtete ich mich davor, dass es wieder passierte. Ich wünschte Aidan wäre hier. Er wüsste wie ich damit umgehen sollte. Er wusste immer alles, was ich von mir nicht so oft behaupten konnte.

Ethan
Ich rannte so schnell mich meine Beine trugen zurück zu meiner Unterkunft, die nur wenige Minuten von der Villa entfernt lag. Ich warf mir schnell frische Klamotten über und schnappte mir meine Sporttasche, die ich für genau solche Fälle mit Absicht nicht ausgepackt hatte. Man musste immer auf der Flucht sein. Ich verließ das Zimmer und blieb kurz zögernd auf dem Flur stehen. Ich wusste, dass zwei weitere Jäger ebenfalls hier untergekommen waren. Mit einem von ihnen hatte ich mehrmals zusammen gearbeitet, so redete man etwas offener miteinander. Er hatte mir erzählt, dass er vor diesem Auftrag direkt aus Frankreich gekommen war und dort einiges an Geld verdient hatte. Geld, welches er mitsich geführt hatte und welches ich nun gut gebrauchen konnte. Zwar trug ich selbst Bargeld bei mir doch für mehrere Wochen würde es nicht reichen. Ich sah auf die Uhr. Die Jäger, die zur Unterstützung angefordert worden waren, hatten bestimmt schon die ganzen Leichen gefunden. Eigentlich hatte ich keine Zeit mehr dafür, aber ich war auf das zusätzliche Geld angewiesen. Also ging ich in die entgegen gesetzte Richtung und brach die Zimmertür meines verstorbenen Arbeitskollegen auf. Ich ließ meine Tasche auf den Boden fallen und durchsuchte im Schnelldurchgang sämtliche Fächer und mögliche Verstecke, die mir in den Sinn kamen. Ich hatte das Bündel Bargeld gerade gefunden, als ich schnelle Schritte hörte und sie kamen direkt in meine Richtung.

Ethan
Ich hatte mich noch nicht einmal vollständig umgedreht, als ich die Anwesenheit von zwei weiteren Jägern im Raum verspürte. "Das ist jetzt nicht so wie es aussieht." sagte ich mit einem Grinsen im Gesicht, als die beiden mich sichtlich irritiert anschauten. Gut, eigentlich war es sogar genauso wie es aussah und das war das Problem an der Geschichte. Für einen Augenblick lag ein bedrohliches Schweigen in der Luft. Ich entschied mich es als erster zu brechen. Bevor einer von ihnen reagieren konnte, zog ich meine Schusswaffe, die ich zuvor zur Sicherheit noch immer am Körper getragen hatte. Mit einem gezielten Schuss ins Herz war der erste Jäger aus dem Weg geräumt. Vermutlich hatte er es nicht einmal gespürt, so schnell war er gestorben. Als der zweite sich beinahe zeitgleich mit einem Dolch auf mich stürzte, blockte ich seine Hiebe ab, wobei die scharfe Klinge meinen Unterarm streifte und ihre Spuren hinterließ. Es folgte ein Handgemenge, in dem der Dolch schließlich zu Boden fiel und unter das nahegelegene Bett schlitterte. Und da war der Moment, in dem er zögerte. Er überlegte ernsthaft seine Waffe wieder zu holen. Anfängerfehler. Ehe er sich versah stand ich hinter ihm und legte meine Hände um sein Genick. "Sorry, aber ich war noch nie ein Fan von Zeugen." sagte ich trocken, ehe ein leises Knacken zu hören war und der leblose Körper zusammenklappte. Ich schnappte mir das Geld, verstaute es in die Tasche und schaute dass ich schnellstmöglich von hier weg kam. Während ich durch die Straßen hetzte, rief ich mir ein Taxi, welches mich 4 Blocks weiter einsammeln und zum Flughafen bringen sollte. Ich wusste noch nicht genau wo ich hin sollte, aber am besten wäre ein Flug, der bald abflog. Innerhalb weniger Minuten war ich in der richtigen Straße, in der das Taxi bereits wartete. Am Ende der Fahrt zahlte ich dem Fahrer ein wenig mehr, weil er auf meine Bitte hin schneller gefahren war. Jetzt musste ich nur noch einen passenden Flug buchen.

Ethan
Ich ging mit schnellen Schritten direkt auf den Schalter zu und kaufte mir ein Ticket für den nächsten Flug. Dabei achtete ich nicht einmal darauf wohin die Reise ging. Hauptsache so schnell wie möglich weg von hier. Im laufen zog ich den Kragen meines Hemdes zurecht. Ich hoffte inständig, dass er den Kratzer, den Aidan mir verpasst hatte, verdeckte. Zwar wäre dieser in ein paar Stunden vollkommen verheilt, doch wollte ich jetzt nur ungerne die neugierigen Blicke der anderen Fluggäste, geschweigedenn die des Sicherheitspersonals, auf mich ziehen. Ich bahnte mir meinen Weg durch die Menge. Dabei fiel mir ein Mann, jedenfalls würde ich es nach der Körperstatur behaupten, auf, der einen Hoodie trug und mit dessen Kapuze den Großteil seines Gesichts verdeckte. Sie konnten mich unmöglich so schnell eingeholt haben. Ich versuchte einen Blick auf das Gesicht des vermeintlichen Jägers, der immer mehr in meine Richtung kam, zu erhaschen. Diese Gesichtszüge kamen mir bekannt vor, aber ich wusste nicht woher und die nervige Kapuze, die mir keinen freien Blick gewehrte, war kein bisschen hilfreich. Ich verlangsamte mein Schritttempo als mir eindämmerte woher ich dieses Gesicht zu kennen schien. Aber eigentlich konnte er es nicht sein. Dieser Mann hatte kein Bart. Ich fragte mich, was mir lieber wäre. Von den Jägern verfolgt zu werden oder Aidan erneut über den Weg zu laufen. Mein Blick war weiterhin starr auf den Fremden gerichtet. Umso näher er kam und umso häufiger ich einen Blick auf sein Gesicht werfen konnte, desto sicherer wurde ich mir, dass es Aidan war.

Ethan
Ich war mir ziemlich sicher, dass Aidan es gewesen war. Doch ihm hinterher laufen und der Sache auf den Grund gehen würde ich bestimmt nicht. Ich war froh, wenn ich so weit wie möglich von dem Vampir wegkam, wenn er es denn gewesen war. Ich ging auf direktem Weg zu den Kontrollen und wartete geduldig bis ich an der Reihe war. Meine Sporttasche war nicht sonderlich groß, so durfte ich sie als Handgepäck mitnehmen und über meinem Sitzplatz verstauen. Ich warf einen kurzen Blick auf mein Ticket und suchte dann meinen Platz. Wenn man dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen konnte.. nun, es ging immer schlimmer. "Nennt man das Schicksal?" fragte ich trocken, während ich noch einmal nachprüfte ob ich auch ja vor dem richtigten Sitz stand. Doch egal wie oft ich die Sitznummerierung auf dem Ticket nachlas, es blieb bei Reihe 21 Platz B. "Oder einfach nur verdammt großes Pech?" Ich sah von meinem Ticket auf und zu Aidan, der bereits Platz genommen hatte. Jetzt durfte ich auch noch den 3 stündigen Flug neben Aidan verbringen, prima.

Ethan
Ich nahm meine Tasche und verstaute sie in dem Fach über meinem Sitz. "Nach was sieht es denn aus?" stellte ich die Gegenfrage, ehe ich mich in den Sitz neben ihn sinken ließ. Moment.. wenn Aidan hier war, hieß das dass Sienna im Moment alleine war. Sollte er nicht bei ihr sein und aufpassen, dass sie keinen Unfug anstellte? Sie war erst seit wenigen Tagen ein Vampir und außerdem war sie Sienna.. sie stellte immer etwas an. Das hatte sich durch die Verwandlung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht verändert, geschweigedenn verbessert. "Und solltest du nicht eigentlich woanders sein?" fragte ich daher.

Ethan
Ich musste leicht grinsen. Als Siennas Bruder wusste ich nur all zu gut wie anstrengend sie sein konnte. Doch er hatte es sich ausgesucht und jetzt musste er mit ihr auch klar kommen. Ich nickte nachdenklich. Es war gut, dass sie so weit von der Zivilisation entfernt war. Allerdings fragte ich mich wie sie die vielen Stunden alleine rumschlug. Sienna konnte keine Minute stillsitzen und brauchte immer Beschäftigung sonst war sie ziemlich mies gelaunt, aber in dem Fall konnte sie es nur an ein paar Bäumen auslassen. "Die Arbeit." sagte ich, auch wenn meine Antwort nicht ganz der Wahrheit entsprach. Zwar war ich nach Rom gekommen, um zu arbeiten, doch nach Dublin flog ich nur weil es der erste Flug gewesen war, der abgeflogen war. Sobald ich wieder in Irland war, musste ich schauen wohin ich am besten verschwand. "Und weswegen musstest du weg?" fragte ich erneut, auch wenn ich es bereits wusste. Schließlich war ich live bei seiner Vorstellung dabei gewesen.

Ethan
Es war klar gewesen, dass er meiner Frage auswich, doch dieses Mal war es egal. Ich erwiderte nur ein nachdenklich "Mhm." Der Flieger stand noch immer auf dem Flughafenplatz, weswegen mein Blick sich ungeduldig auf meine Armbanduhr richtete. Nur noch ein paar Minuten und ich war Sicherheit, vorerst jedenfalls. Sobald der Flieger in Dublin landen würde, musste ich sofort weiter. Die Frage war nur wohin. Allerdings hatte ich noch etwa 3 Stunden Zeit um zu planen wohin ich verschwinden würde und was ich dafür noch besorgen musste. Ein Leihwagen wäre beispielsweise nicht schlecht.