Diara bemerkte den seltsamen Tonfall ihres Loas durchaus und warf ihm einen kurzen, schwer deutbaren Blick zu. War es denn wirklich so schlimm, ein Rada zu sein? An sie gebunden zu sein? Jeder hier schien sie kritisieren zu wollen, nur weil sie eben eine Mambo war und sich nicht der 'bösen' Seite verschrieben hatte. Diese Tatsache verletzte Di irgendwie, wie es sie auch wütend machte. Bei den Worten des dunkelhäutigen Jungens schnaubte sie, doch sie hatte keine Möglichkeit mehr, ihm zu antworten, denn im nächsten Augenblick trat der Bocore, den sie suchte aus einem kleinen Raum und blieb im Türrahmen stehen. Diara schnaubte wieder, diesmal aufgebrachter und trat geradewegs auf den Bocore zu. "Und du hörst mir mal zu", begann sie und funkelte aufgebracht zu ihm hoch, während sie ihm mit dem Zeigefinger auf die Brust tippte "Ich bin nicht den ganzen Weg von Belleville hierher gekommen, wäre fast von deinen Zombies in Stücke gerissen worden, nur um mich so einfach abwimmeln zu lassen", quiekte die junge Mambo energisch. "Also wenn du uns loswerden willst, bringst du das in Ordnung und erst dann sind wir weg" Ihr war bewusst, dass sie wohl nicht sonderlich autoritär wirkte - vor allem auch, weil sie ein gutes Stück kleiner war als der Priester - und den Bocore wahrscheinlich nicht im geringsten beeindruckte, aber das war Diara in diesem Moment egal. So würde sie sich nicht behandeln lassen. Außerdem konnte sie nicht zulassen, dass alles, woran sie glaubte so in den Dreck gezogen wurde.

Auf Kalfus Drohung hin kniff Ogoun nur die Augen leicht zusammen und schnaubte. Ausnahmsweise war er nicht hier um zu kämpfen, auch wenn er einen guten Kampf stets zu schätzen wusste. Doch es war nicht in der Natur des Loa anderen Loa zu drohen, abgesehen davon dass es eine aussichtslose Auseinandersetzung wäre. Töten konnten sie sich gegenseitig sowieso nicht. Als er jedoch seiner Mambo mit dem Tod drohte trat er nun doch einen Schritt vor. "Ich bin nicht hier um deinem Bocor zu schaden, Kalfu. Aber meine Mambo rührst du ebenfalls nicht an." sprach er nun seinerseits mit einem ernsten Ton und war kurz selbst überrascht wie beschützend er ihr gegenüber auftrat. Womöglich einfach, weil sie noch so unerfahren wirkte. Ihren Blick bemerkte er so gar nicht jedoch trat nun der Bocor selbst auf den Plan. Kurz kniff der Loa die Augen zusammen. Irgendwo her kannte er den Kerl, auch wenn er wohl da noch nicht so abgewrackt ausgesehen hatte. Bevor er allerdings irgendetwas sagen konnte auf dessen Äußerungen hin trat Diara vor und Ogoun konnte nicht leugnen, dass er von ihrer Entschlossenheit etwas beeindruckt war. Ihre Aussage unterstreichend trat er nur mit verschränkten Armen hinter sie und schnaubte kurz, wobei ihm Feuer aus den Nasenlöcher stieß. "Dein Bocor hat sich nicht im Griff. Er bringt mit solchen Aktionen das Gleichgewicht durcheinander, abgesehen davon, dass kein Soldat so unehrenhaft enden sollte." Natürlich ahnte er, dass das einem Priester der schwarzen Magie wohl herzlich egal war. Immerhin kannte er die Mentalität der meisten Bocore. Trotzdem war Ogoun selbst als ursprünglicher Petro nicht einverstanden damit, abgesehen davon dass ihm gerade keine Wahl blieb auf der Seite seiner Mambo zu stehen.

Ich war zum ersten Mal in einem richtigen Voodoo-Geschäft und ich sah mich auch einen Moment interessiert um. Dabei bemerkte ich zunächst gar nicht, dass jemand gekommen war, bis Diara sprach, allerdings sah ich niemanden, ich hörte nur aus dem Nebenraum jemanden brüllen, aber das passte nicht ganz zusammen. Alle Worte, die ich hörte passten nicht ganz zusammen. Da musste wenigstens noch ein Loa sein. Der Bocore kam dazu, obwohl er wirklich wenig Interesse daran hatte. Ich mochte ihn auf Anhieb nicht. Er sah auch furchtbar abgeranzt aus. Wie man sich so gehen lassen konnte... Da mir viel vom Gespräch fehlte, sagte ich aber nichts. Ich fühlte mich hier eher wie ein Fremdkörper, aber ich würde Diara im Notfall beschützen. Allerdings konnte ich nicht verhindern, sie für ihren Mut zu bewundern. Sie war eine beeindruckende junge Frau. Der Typ ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. "Es ist überhaupt nichts in Ordnung. Ihr missbraucht Unschuldige. Und für welchen Zweck? Das ganze wird euch selbst noch um die Ohren fliegen und eure Kundschaft könnt ihr dann auch vergessen.", sagte ich dann doch, bevor verwundert seinen Ausbruch beobachtete. Was für ein seltsamer Vogel.

Ihre anfängliche Wut wurde tatsächlich etwas durch die Tatsache geschmälert, dass Ogoun sich nun doch irgendwie für sie und ihre Sache einsetzte. Diara wusste, dass es für einen Petro nicht so einfach sein musste - umgekehrt wäre dies wohl ebenfalls der Fall. Aber die Mambo fand, dass Ogoun seine Sache bisher wirklich gut machte. Trotzdem war sie noch immer irgendwie verletzt. Der andere Loa begann wieder zu reden und Diara öffnete gerade den Mund und wollte ihm erklären, was genau ihr Problem war, als der Bocore wieder das Wort ergriff. Das war doch nicht sein Ernst, nicht wahr? Hier war wirklich gar nichts in Ordnung! Das war längst nicht mehr ein Krieg auf dem Schlachtfeld, sondern es traf auch normale Leute. Wenn Soldaten ihr Leben lassen mussten, war das schon schlimm genug, aber auch Kinder? Das war einfach nicht richtig. Auch das wollte die junge Mambo gerade sagen, als der andere Priester etwas von 'Klappe halten' sagte und sie kurz perplex blinzelte und etwas zurückwich. Allerdings redete er anschließend mit der Luft und kurz empfand Diara so etwas wie Mitleid. Was, wenn er gar nicht gewusst hatte, was er anstellte, einfach, weil er nicht ganz bei Sinnen war? Vielleicht hatte er das hier gar nicht gewollt. War es dann fair, ihm deswegen Vorwürfe zu machen? Leicht hob sie die Hand, um sie dem Bocore auf den Arm zu legen und zu sagen, dass das nicht seine Schuld war. Dass man das wieder hinkriegen würde. Aber im nächsten Moment schüttelte sie leicht den Kopf. Diara erinnerte sich selbst daran, wen sie hier vor sich hatte. Immerhin war er ein Bocore und hatte Kalfu bei sich!
Benjamin war es, der die Haitianerin schließlich aus ihren Gedanken riss und das Mädchen zuckte leicht zusammen. Sie hatte schon wieder vergessen, dass er ja auch noch da war. Kurz machte sich ein schlechtes Gewissen in ihr breit. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. Immerhin hätte sie ihn auch einweihen können, ihm erklären, was hier lief. Aber es war im Moment alles einfach so viel auf einmal. Bestätigend nickte Di also auf sowohl Bens als auch Gous Aussage. "Norden und Süden hin oder her. Das wird bald keine Rolle mehr spielen, wenn deine Zombies alles und jeden niedermetzeln, das ihnen über den Weg läuft.", fügte sie hinzu und blickte zu dem anderen Priester auf. "Wenn du also noch eine Welt übrig haben willst, in der du deine zwielichtigen Zauber machen willst, dann solltest du mir lieber helfen"

Kalfus Aussage ließ Ogoun unkommentiert, da sie in seinen Augen keinen Sinn machte. Wenn er die Unterscheidung zwischen einem aus außer Kontrolle geratenen Zauber, welcher jegliches Leben bedrohte und "unserem Kram" von welchem er nicht einmal wusste was damit gemeint war nicht kannte, dann war hier sowieso jedes Wort verschwendet. Wenn alle Menschen durch die Zombies ausgelöscht würden, so gäbe es auch keine Priester mehr, welche den Loas ihre Huldigung darbrächten. Und was wäre das für ein Loa-Leben? Selbst für einen Petro machte das Dasein dann keinen Sinn, wenn es nichts mehr für ihn gab außer totes Land. Ogoun hegte keinerlei Groll gegen Kalfu, im Gegenteil, mit ihm kam er in der Regel gut zurecht und er respektierte den Loa. Doch in dieser Sache war der ehemalige Petro schlicht anderer Meinung.
Diara und Ben redeten derweil auf den Bocor ein, welcher nicht nur ramponiert aussah, sondern bei dem anscheinend auch in Kopf etwas nicht ganz richtig lief, so wie er mit selbst für Loa unsichtbaren Stimmen zu sprechen schien. Und dann fiel es Ogoun wieder ein, woher er den Kerl kannte. Es war der Lehrling eines Bocor gewesen, mit welchem Ogoun damals immer wieder mal gearbeitet hatte. Ein sehr talentierter Bursche, wenn auch nicht immer einfach. Wie konnte es nur so weit kommen? Als er auf Di zuging trat der Loa neben seine Mambo und ließ den Bocor nicht aus den Augen. Di zu schützen gehörte immer noch zu seinen wichtigsten Aufgaben."Möglicherweise war es das Mal, aber die Sache ist außer Kontrolle geraten, Nero." sprach er ihn nun konkret an, jetzt war ihm auch der Name wieder eingefallen. "Und du weißt das. Dein Meister lehrte dich die Anzeichen, es ist zwecklos das zu ignorieren." sprach er ernst.

Als Nero nun davon sprach, dass die Soldaten nur die Soldaten des Nordens niederstreckten, schüttelte Diara langsam den Kopf, doch sie sagte nichts, da Kalfu und Gou bereits übernahmen. Aufmerksam hörte die junge Mambo zu, war nun doch überrascht, dass Ogoun und Nero sich zu kennen schienen. Bei den Worten des dunkelhäutigen Loas weiteten sich ihre Augen ein wenig. "Das Ritual wurde verunreinigt?", flüsterte sie kaum hörbar. Das erklärte einiges. Und die Konsequenzen waren umso verheerender. In ihrer bisherigen Ausbildung hatte Diara immer eingetrichtert bekommen, dass egal was passierte: Ein Ritual musste stehts so abgehalten werden wie es angedacht war. Niemals durfte es unterbrochen oder auf irgendeine Weise verändert werden. Nie. Dass das hier passiert war, bereitete Diara sichtlich Unbehagen und leicht trippelte sie von einem Fuß auf den anderen. Nervös sah sie zwischen den Anwesenden hin und her, bevor sie zu Nero sah. "Du kriegst das doch wieder hin, oder?", fragte sie nun nach. Ansonsten hätten sie wohl ein ziemlich großes Problem.

Bei den Worten die er vernahm rieb sich der Loa des Krieges fast schon müde die feurigen Augen und ließ kurz entnervt Luft entweichen. Neros aggressiver Kommentar zu seinem alten Meister wunderte ihn nicht, er war früher schon nicht so umgänglich gewesen. Der Loa war ab und zu von dem alten Bocor gerufen worden, als Petro versteht sich. Doch das spielte jetzt keine Rolle. Viel wichtiger waren die Wortfetzen, die er aus Kalfus Getuschel wahrnahm ehe das Gespräch wieder normale Lautstärke annahm. Ogoun schnaubte kurz ungläubig. "Wie konntest du nicht erwarten, dass so ein Missgeschick nicht zur Sprache kommen würde, Kalfu?" Diara schien hoffnungsvoll, doch Ogoun war da nicht so überzeugt. Dieser Bocor mochte mächtig sein, aber solche Fehler und sein Zustand allgemein warfen kein gutes Licht auf den ehemaligen Schüler. "Dass du nicht alles hinkriegst, hast du dir ja selbst bewiesen, Bocor." murrte der Loa und hob eine Augenbraue bei seinem Versuch sich aus der Sache rauszuwinden. "Ich bin sicher, unser Anliegen bedarf dringenderer Klärung wenn du auch in Zukunft noch Kunden haben willst."

Das Gemurmel aus dem Vorraum wurde immer lauter und Lyra schwieg, dicht an ihrer Schwester sitzend, um zu verstehen, was der Bocor dort vor sich hinfaselte. Doch da war noch etwas anderes, was Lyra nun spüren konnte. Es waren weitere Präsenzen, welche sich ähnlich anfühlten wie die Geister, welche Nero eben gerufen hatte. Doch sie fühlten sich deutlich mächtiger an. Von der Neugierde gepackt, auch aufgrund der Tatsache was sie dort hörte, stand Lyra nun trotz der Anweisung des Priesters auf und warf ihrer Schwester kurz einen Blick zu, ehe sie nun durch einen Vorhang in den Vorraum trat. Ihr Blick wanderte vom Rücken Nero's zu einem weiteren dunkelhäutigen Mädchen und einem jungen Mann. Sie spürte in diesem Raum komischerweise weitere Präsenzen, auch wenn sie niemanden sehen konnte. Woher kam dieses Gefühl plötzlich? "Was ist hier los?" fragte die junge Frau auch wenn sie das genau genommen nichts anging, doch die Stimmung schien ernst. Ihr Blick blieb bei dem anderen Mädchen hängen, welche irgendwie besorgt aussah. "Von welchem Ritual ist hier die Rede?" sie war etwas verwirrt doch bekam das Gefühl nicht los, dass es etwas wichtiges war. Ihr Blick glitt zu Nero. "Wir hatten eine Abmachung, Bocor. Ich gab mein Blut, bitte, meiner Schwester und mir läuft die Zeit davon." bittete sie ihn nun inständig, denn ewig würde ihr Geld und ihre Zeit nicht ausreichen.