Tamina

Die gesamte Truppe setzte sich nun in Bewegung um den unheimlichen Laden des Voodoo Meisters zu verlassen. Noch immer schwirrten die abstrusen Bilder vor Tamis Augen hin und her, ebenso wie das Bild ihres schlafenden Bruders. Bei seinem Bild wurde Tami kurz ganz nachdenklich, endlich hätten sie die Chance ihren geliebten zu sehen, ihn in die Arme zu nehmen und endlich in Freiheit leben, wie sie es immer wollten. Tami wurde von ihrer Schwester bereits zur Tür geschoben, während auch Diana und der andere Mann, sie meinte sich den Namen Ben gemerkt zu haben, durch die Ladentür traten. Lyra blieb noch kurz zurück, während Tami auf die Straße nach draußen trat.
Nun begann das Rätsel, wo die besagte Gaststätte lag und ließ dabei Diana und Ben den Vortritt, da sich Tami nur schwer daran erinnern konnte, das Schild einer Gaststätte gesehen zu haben. Die jungen Mambo fragte in die Runde ob nun alle bereit wären, weshalb Tami mit einem eindeutigen Nicken auf diese Frage antwortete. Sie wollte einen Blick zu ihrer kleinen Schwester werfen, um von dieser eine Antwort zu erhalten, als der jungen Frau auffiel, dass der Platz hinter ihr leer war, wo eigentlich ihre Schwester stehen sollte. "Lyra?!",wiederholte sie die Worte der Mambo und sah sich fragend nach ihrer kleinen Schwester um. Angst mischte sich in Tamis Gesichtsausdruck, zum anderen Adrenalin. Noch eben war ihre kleine Schwester hinter ihr, wo konnte sie nur sein?
Tamis Blick huschte zu der Tür des Ladens herüber, gerade als sie wieder zurück in den Laden gehen wollte, trat ihre Schwester heraus und entschuldigte sich das sie etwas vergessen hätte. Kurz zuckte Tamis Augenbrauen nach oben, ein eigenartiges Gefühl breitete sich in ihr aus, sie kannte ihre Schwester gut genug, dass da mehr war als Lyra eigentlich sagen wollte, doch Tami hatte gelernt, dass ihre kleine Schwester alt genug war, Geheimnisse vor ihrer älteren Schwester zu haben, weshalb Tami kurz zu ihrer Schwester sah und dann Diara das Zeichnen gab, dass sie vollständig waren. Tami legte den freien Arm um ihre Schwester und drückte sie kurz an sich "Ich bin so froh, dass wir unseren Bruder endlich wieder sehen können.", murmelte sie in Lyras Ohr und drückte ihrer Schwester einen Kuss auf die Schläfe, während sie den anderen beiden folgten, in Richtung der Gaststätte.

Das verschwundene Mädchen tauchte kurz später wieder mit der Entschuldigung aus dem Laden auf, dass sie nur etwas vergessen hätte. Leicht runzelte Diara die Stirn, ging jedoch nicht weiter darauf ein und nickte nur. Mit Hilfe von Ben und Ogoun, fand das kleine Grüppchen schließlich die Unterkunft, von der Nero gesprochen hatte - natürlich hatte Diara den Weg vergessen, kaum war er ihr erklärt worden. Der Inhaber musterte die kleine Gruppe kritisch und sprach kein Wort mit den drei dunkelhäutigen Damen, wandte sich also lediglich an Benjamin, was leider Gottes ja nichts Neues war. Der Soldat schaffte es, zwei Zimmer zu organisieren, woraufhin die beiden Schwestern eines teilten und Ben, Diara und Ogoun das andere nahmen. Ein wenig seltsam war das schon, hatte sich die Mambo doch noch nie ein Zimmer mit einem Mann - zählte man Gou nicht mit - geteilt. Natürlich war sie, als sie für kurze Zeit als Sklavin gehalten worden war, auch mit anderen Männern und Frauen eingesperrt gewesen. Aber eben nie alleine. Aber nun ja, anders ging es wohl nicht. Außerdem wusste sie, dass sie von Ben nichts zu befürchten hatte. Sie vertraute ihm und für alle Fälle hätte sie immerhin noch Ogoun.
Am nächsten Morgen wurde sie von Benjamin geweckt. Nach der langen Reise war Diara in ihren Kleidern auf dem Bett eingekugelt eingeschlafen und hatte einen traumlosen Schlaf. Bevor sie aufbrachen nahm sie sich jedoch noch Zeit, sich kurz frisch zu machen. Vor der Unterkunft warteten sie auf die beiden Schwestern, mit welchen sich die Gruppe schließlich zur verabredeten Zeit an ihrem Treffpunkt einfanden.

Am nächsten Morgen wachte Lyra mit einem merkwürdigen Gefühl auf. Ihre Träume waren geprägt von dunklen Bildern gewesen und sie hatte das Gefühl gehabt, irgendwie nicht allein zu sein, abgesehen von ihrer Schwester Tamina, welche mit ihr im Raum geschlafen hatte. Ob das diese Geister waren von denen Nero gesprochen hatte? Sie wusste es nicht, war aber schon gespannt darauf mehr darüber zu erfahren. Sie war sich noch nicht sicher, wie lange sie das vor ihrer Schwester geheimhalten konnte, aber sie war sich sicher, dass sie damit nicht einverstanden wäre. Eine Mambo ja, aber eine, die sich der schwarzen Magie verschrieben hatte? Und dann genau von jemandem wie Nero ausgebildet werden sollte? Lyra nahm sich vor auf einen geeigneten Zeitpunkt zu warten, um Tamina darüber aufzuklären. Vielleicht wenn sie zeigen konnte, dass sie die Geister beherrschte. Schnell hatten sie sich frisch gemacht und ihre Sachen gepackt und begaben sich nach unten zu den anderen. Gähnend kam sie Benjamin und Diara entgegen. "Guten Morgen." grüßte sie die beiden und spürte nun auch die Präsenz des Loas neben Diara, auch wenn sie ihn noch nicht genau sehen konnte. Sie sah lediglich Schemen, ähnlich wie Hitzeflimmern. Aber das würde wohl mit der Übung kommen, dachte sie sich. "Wie sieht das mit Frühstück aus?" Die abschätzigen Blicke des Wirts waren ihr gestern nicht entgangen. Gut möglich, dass sie hier kein Frühstück bekämen.

Ogoun hatte die ganze Nacht über Diara gewacht und in einer Ecke des Zimmer gesessen. Zwar hielt auch er Ben mittlerweile für einen vernünftigen Kerl, doch dennoch behielt er ihn in gewissen Momenten genau im Auge. Doch nichts geschah in der Nacht, weswegen es auch keinen Grund gab etwas anzumerken außer ein brummiges 'Guten Morgen.' Sie traten nach draußen und warteten auf den Rest, welcher auch sogleich kam. Wie üblich stand der Loa mit verschränkten Armen neben seiner Mambo und hielt die Straße um sie herum ebenfalls im Blick. Auf die Frage nach Frühstück runzelte Ogoun kurz die Stirn. Auch ihn gelüstete es durchaus nach einer Opfergabe. Ein Loa wollte schließlich bei Laune gehalten werden. "Gute Frage." erwiderte er also, sah dabei Diara direkt an.

Die eine Schwester blieb noch kurz zurück, dann konnten wir aber zu dem Gasthaus gehen. Das benehmen des Wirtes ging mir ziemlich gegen den Strich. Was dachte er sich? Das waren auch nur Menschen. Missmutig nahm ich sein Verhalten allerdings hin um zu verhindern, dass wir alle diese Nacht ohne Dach über dem Kopf verbringen mussten. Dass Diara und ich uns ein Zimmer teilten war mir selbst etwas unangenehm. Nicht weil ich sie nicht mochte, lediglich weil es mir nicht besonders angebracht vorkam, aber gut. Diara war dann aber auch so schnell eingeschlafen, dass es nicht mal zu irgendwelchen Unangenehmen Situationen hätte kommen können. Ich hatte sie bloß zugedeckt, damit sie in der Nacht nicht frieren würde. Am Morgen hatte ich sie dann vorsichtig geweckt, nachdem ich mich frisch gemacht hatte und dann hatten wir uns auf den Weg gemacht, um uns mit den beiden Mädchen zu treffen. "Guten Morgen. Wenn ihr wollt, versuche ich hier etwas zu erreichen. Sonst können wir es vielleicht noch woanders versuchen." Ein Frühstück könnte ich auf jeden Fall gebrauchen, nachdem wir gestern nichts mehr gegessen hatten.

Die Drei warteten nicht lange, bis die Schwestern schließlich zu ihnen stießen und Diara sie mit einem leichten Lächeln begrüsste. "Guten Morgen", erwiderte die Haitianerin also und begann bei Lyras Frage bereits zu überlegen. Ogouns Blick entging ihr nicht und kurz erwiderte sie diesen, bevor sie sich räusperte. "Eh.. ja, du hast recht", murmelte sie, die Mambo hatte schon verstanden, was der Loa ihr damit sagen wollte. Dabei fiel ihr auch ein, dass sie für das Ritual von Nero ja auch noch Dinge benötigte. Gerade ging sie im Kopf noch einmal durch, was sie noch alles kaufen oder besorgen müsste, als sie von Bens Aussage unterbrochen wurde und die dunklen Augen sich auf den Soldaten richtete. "Vielleicht versuchen wir es lieber wo anders", gab sie etwas verlegen von sich und strich sich eine Haarsträhne hinter die Ohren. Sie hatte gestern schon das Gefühl gehabt, dass der Wirt sie nicht sonderlich mochte. Er würde es ebenfalls wohl nicht allzu gut heißen, wenn sie länger hier blieben. Außerdem fühlte sich Diara hier auch einfach etwas unwohl. "Ich muss ohnehin noch ein paar Dinge besorgen", fügte sie noch an und ihr Blick schweifte kurz über die Straße. "Hat jemand eine Ahnung, wo man Thymian, Weinkraut und Rum herbekommt?", fragte die Mambo nun nach, wieder einmal vergessend, dass die Anderen sich hier wohl genauso wenig auskannten wie sie selbst.

Lyra nickte bestätigend als es hieß, woanders etwas zu Essen zu organisieren. Dieser Laden war ich ebenfalls nicht geheuer gewesen und bisher begegnete ihr in dieser Stadt nichts als Feindseligkeit. Und das alles nur, weil sie eine andere Hautfarbe hatten. Es gab einige Viertel in New Orleans wo dies nicht der Fall war, aber diese Gegend gehörte wohl nicht dazu. "Ja ihr habt Recht." stimmte sie zu und überlegte, wurde aber von Diaras Fragen unterbrochen. Leicht runzelte sie die Stirn. "Wofür brauchst du die Sachen?" fragte sie neugierig nach und konnte sich bereits grob denken wofür diese gedacht waren. Doch immerhin wollte sie jetzt mehr darüber lernen.

Diara schien seine Andeutung zu verstehen was ihn einen wohlwollenden Gesichtsausdruck aufsetzen ließ. Ja ein Loa hatte eben auch Bedürfnisse. "Folgt mir. Ich kenne mich dank meiner Frau hier ein wenig aus." sagte er und setzte sich auch sogleich in Bewegung. Unweit von der Gaststätte in einer Seitenstraße befand sich ein kleiner Laden in einem Hinterhof, welcher von außen nur durch ein Schild wirklich erkennbar war. Es war ein kleiner Gemischtwarenladen, welcher von einer alten, halb blinden Lady geführt wurde. "Hier ist es. Mit etwas Glück hat sie alles was ihr braucht. Aber kontrolliert, ob sie euch das richtige gibt. Die Dame sieht schlecht und ist etwas wirr" fügte er nüchtern hinzu und wartete vor dem Laden.

Lyras Frage ließ Diara kurz blinzeln, war sie im Kopf doch bereits dabei, sich an das entsprechende Ritual zu erinnern und lächelte dann kurz leicht. "Naja, irgendwie muss ich doch den Fluch des Bocore brechen, damit er diese ganze Zombieapokalypse aufhält", erklärte die Dunkelhaarige also und sah dann zu Ogoun, als dieser zu sprechen begann. Die Mambo nickte und folgte dem Loa mit einem Blick auf die anderen. Nach kurzem Weg kamen sie schließlich zum Stehen und Diara musterte den Laden kurz. "Ich denke das wird reichen. Danke, Ogoun", meinte sie und lächelte kurz zu ihm auf, bevor sie ihre Tasche von den Schultern gleiten ließ und darin herumkramte, bis sie den Rum und den Tabak hervor nahm, welchen sie noch von zuhause mitgenommen hatte. Sie sprach ein paar Worte auf Französisch, welche diese Dinge als Opfergaben kennzeichnen sollten und hielt sie dem Loa dann hin. "Lass es dir schmecken", meinte sie mit einem Zwinkern und einem Lächeln, bevor sie mit den anderen im Laden verschwand. Damit es etwas schneller ging, gab sie jedem einen Auftrag, etwas zu besorgen, womit sie auch ziemlich schnell wieder aus dem Laden traten. "Ich glaube, wir haben alles. Wir können also weiter", erklärte Diara schließlich, als alle wieder draußen versammelt waren.

Diara hatte seinen Wink also verstanden und zufrieden nahm er seine Opfergaben entgegen um sich diese auch sogleich zu Gemüte zu führen. Er verbannte den Tabak in seiner Handfläche und genoss den Geruch des dampfenden Qualmes, ehe er mit dem Rum vorlieb nahm. Schließlich setzte sich der Trupp wieder in Bewegung und aus der Ferne sah er bereits Kalfu, welcher den Blick ebenfalls gerade zu ihnen gewandt hatte. Mit verschränkten Armen folgte er seiner Mambo, sagte jedoch nichts.

Auch Lyra war zusammen mit den anderen in dem Laden verschwunden und mit dem bisschen Geld was sie hatten kauften sich die Schwestern ein paar Vorräte und auch etwas für das Frühstück, auch wenn es nur kleine Gebäckstücke und ein Glas Wasser waren, welches die ältere Ladenbesitzerin ihnen netterweise umsonst zur Verfügung gestellt hatte. "Ich denke wir sind auch soweit." sprach sie zustimmend und warf kurz einen Blick zu ihrer Schwester, bevor sie sich auf den Weg zu dem Laden des Bocor machten. Lyra spürte ein gewisses Kribbeln in ihrem Bauch, immerhin würde sie jetzt viel Neues erwarten. Aus der Ferne sah sie Nero dort stehen wusste aber, dass er ja nicht alleine war und einen Loa an seiner Seite hatte. Und sie meinte, dessen Konturen immer klarer erkennen zu können, auch wenn es immer noch nicht mehr als ein Flimmern war. Es würde wohl einfach noch etwas Zeit und Übung brauchen, bis die Loas sich ihr gänzlich offenbarten. "Guten Morgen." sprach sie selbstbewusst in die Runde und musterte Nero kurz. Immerhin sah er heute etwas ausgeruhter aus. "Wir sind bereit zur Abreise. Lasst uns keine Zeit verlieren." Ihr Blick glitt kurz zum Rest. Waren sie bereit?