Nickend stimmte sie ihrem Loa zu. "Ogoun hat recht.", fügte sie wohl überflüssigerweise noch hinzu und sah dann wieder zu Nero. "Wenn das das Problem ist, dass du keine Zeit wegen deinen Kundinnen hast, dann soll es nicht daran scheitern. Immerhin kann ich das übernehmen, solange das hier wieder gerade rückst", meinte Diara nun bestimmt. Im nächsten Moment tauchte eine weitere Person auf, bei der es sich wohl offensichtlich um eine der Kundinnen handelte. Kurz sah die Haitianerin zu der Dunkelhäutigen und schaffte es doch, ein leichtes Lächeln zustande zu bringen. "Hallo", grüsste Di, ließ jedoch ihre Fragen außer Acht, während sie wieder zu Nero sah. Die nächsten Worte der jungen Frau machten die Mambo nun doch wieder aufmerksamer. "Warte", hob sie an und sah etwas verwundert zu der anderen. "Du hast einem Bocore dein Blut gegeben?" Irgendetwas klingelte dabei in Diaras Hinterkopf, selbst wenn sie das nicht genau sagen konnte. Auf jeden Fall war es nicht das Schlauste, sein Blut in einem Ritual der schwarzen Magie zu geben. "Das mit der davonlaufenden Zeit scheint wohl ein allgemeines Problem zu sein" Damit wandte sie ihren Blick nachdrücklich wieder zu dem Bocore.

Es war ein furchtbares Gefühl, die Hälfte des Gesprächs zu verpassen. Ich verstand viele Zusammenhänge nicht, aber was ich verstand, machte mich wütend. Dieser Bocore schien sich ja wirklich gar nicht, für das ganze zu interessieren. Es war ihm einfach egal, dass Menschen dort abgeschlachtet wurden und das Unschuldige litten. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie meine Kameraden einfach ohne eine Chance kämpfen mussten. Ich sah sie sterben. Jämmerlich und unehrenhaft. Diesem Mann war das einfach gleichgültig und er schien auch noch einen Fehler gemacht zu haben und sich nicht darum zu scheren. In mir köchelte es. "Fehler passieren jedem?! Das mag vielleicht sein, aber dein Fehler ist fatal! Hier geht's nicht um eine falsche Begrüßung, hier geht's um Leben!", warf ich ihm an den Kopf, ich hätte noch viel mehr sagen können, aber ich stoppte mich, um mich selbst nicht in Rage zu reden. Als er sich dann einfach umdrehte und 'die Audienz' für beendet erklärte, platzte mir der Kragen. "Du bleibst hier!", sagte ich, griff nach seinem Arm und zerrte ihn zurück. Schneller als ich denken konnte, landete meine Faust in seinem Gesicht. Ich war ja eigentlich kein aggressiver Mensch, aber bei diesem Mann versagte meine Beherrschung.

Lyra sah das andere dunkelhäutige Mädchen kurz mit großen Augen an, als sie so verwundert schien über den Austausch des Blutes. Doch sogleich antwortete Nero und Lyra's Blick wurde wieder ernst und sie schnaubte leicht. Dieser Mann war doch wirklich unmöglich, aber er hatte genau genommen Recht. Sie hatten alles was sie brauchte und die nachfolgenden Worte ignorierte sie nun, denn sie schritt nun wieder in den Nebenraum zu ihrer Schwester. "Komm Tami, wir haben alles was wir brauchen." Schnell griff sie sich die Karte mit den Markierungen und rollte diese fein säuberlich zusammen. Von dem ausbrechenden Streit bekam sie so nichts mit im Moment.

Der Bocor war doch wirklich unglaublich und genauso stur wie früher. Wenn Kalfu nicht wäre hätte der Loa des Krieges ihn wohl längst einfach mitgeschleppt, doch so war das doch etwas schwierig. Andererseits war Ogoun als Rada hier und entzog sich daher der Macht Kalfus, ihn zurückschicken zu können. Die Diskussion ging nicht vor und nicht zurück und zu Ogouns Überraschung war es gerade der ruhige Benjamin, dem nun der Kragen platzte und schneller als gedacht landete dessen Faust im Gesicht des Bocor. Ogoun war kurz doch beeindruckt, schaltete jedoch schnell und stellte sich vor Kalfu, um diesem die Sicht auf Ben zu versperren und zu verhindern, dass er seinem Bocor zur Hilfe eilte. Ja, das sollte der Mensch nun doch selbst klären, der Loa würde sich so lange um den anderen Loa kümmern. Und ja, vielleicht war es jetzt in diesem Moment doch nicht mehr so schlimm, als Rada gerufen worden zu sein. Er ging sowieso davon aus, dass Diara schlichtend eingreifen würde weswegen er sich damit begnügte, den anderen Loa auf Abstand zu halten.

Wieder spürte Diara die Verärgerung in ihr hochkochen, als der Bocore sie erneut so von oben herab behandelte und sie öffnete bereits wieder den Mund um etwas zu erwidern, doch die anderen waren schneller. Ben meldete sich nun wieder zu Wort und knöpfte sich Nero vor, während die dunkelhäutige Frau wieder verschwand. Kurz fragte sie sich erneut, was es denn noch mal mit dem Blut auf sich hatte, bevor ein Knacken zu hören war und Di ihre braunen Augen sofort auf Nero und Benjamin richtete. Ach du meine Güte! Sie hätte niemals erwartet, dass der Soldat dem Priester tatsächlich eine runterhauen würde. Doch genau das passierte. Dass Ogoun sich vor Kalfu gestellt hatte, bemerkte sie kaum, wohl aber, dass Neros Kopf seltsam fragil auf seinem Hals sass. Genauso wie die schwarzen Beulen auf seiner Haut. Das hatte sie tatsächlich schon gesehen. Oder zumindest davon gehört. Die junge Mambo drängte sich zwischen die beiden Männer und legte Ben eine Hand auf die Brust. "Lass mich das regeln, ja?", sagte sie leise und sah ihm kurz in die Augen, bevor sie sich dem Bocore zuwandte. Von Nahem war sie sich nun sicher, was diese ale bedeuteten. In Diaras Kopf begann ein Plan heranzureifen, vor allem, als sie hörte, wie panisch Nero nun klang. Na gut, wer wäre das schon nicht, wenn man beinahe den Kopf verlor. Wortwörtlich versteht sich. "Hör mal", begann sie und wandte sich direkt an den Bocore. "Ich kann dir helfen, wenn du mir hilfst.", begann sie und sah kurz zu Ogoun. Erst jetzt bemerkte sie, wie dieser den anderen Loa blockierte. Doch für diesen Deal brauchte sie Nero lebend. "Ich kann dir mit deinem kleinen Problem helfen, wenn du das mit den Soldaten in Ordnung bringst.", verdeutlichte sie und deutete mit dem Kinn auf die schwarze Haut. "Sobald du zustimmst, lässt Ogoun Kalfu durch" Dabei nickte sie ihrem Loa leicht zu, bevor sie die Augen wieder auf Nero richtete.

Schließlich war ein Knacken zu hören und der Loa musste gar nicht hinsehen, um zu wissen dass es ein Knochen war der gerade in Schieflage geriet. Er fixierte Kalfu weiterhin mit seinen feurigen Blick, hatte aber natürlich nichts entgegenzusetzen als Nero diesen bat, seinen Hals zu richten und dafür in dessen Körper zu gleiten. Ogoun wollte auch nur lediglich Ben vor dem gefährlichen Blick des Loas schützen, zu mehr war er auch gar nicht in der Lage ohne es irgendwie eskalieren zu lassen. Und er hatte kein Interesse daran, es sich mit Kalfu zu verscherzen. Entsprechend entfernte er sich nun ein paar Schritte und trat neben Ben, auch wenn dieser ihn nicht sah. Diaras Vorschlag klang gut, denn nun sah auch der Loa die schwarzen Beulen an den Armen des Bocor. Hoffentlich würde er sich diesmal überzeugen lassen.

Als ich das Knacken hörte, meine Faust seinen Körper nicht mehr berührte und ich Diaras Hand auf meiner Brust spürte, realisierte ich, was ich da gerade getan hatte. Ein bisschen tat es mir Leid, da ich so gar nicht war. Zwar war ich ein Soldat, aber da war das etwas anderes. Ich ging zwei Schritte rückwärts und bewegte meine Knöchel, um sie zu lockern. Der Typ hatte seltsame schwarze Haut und sein ganzes Bild war einfach surreal und etwas jämmerlich. Das einzig Gute war wahrscheinlich, dass wir jetzt wieder eine Chance hatten, dass er uns doch half.

Bei Neros Antwort kniff Diara kurz die Augen zusammen, warf einen Blick über die Schulter zu Ogoun und erhob sich, um einen Schritt zurückzutreten. Selbst wenn Kalfu das wohl nicht gebraucht hätte. Stumm beobachtete sie - doch etwas fasziniert - wie der Loa Neros Kopf wieder richtete. Der Petro schien die Gelegenheit zu nutzen, um mit Benjamin kommunizieren zu können und ihm zu drohen. Di zog dabei die Augenbrauen zusammen und sah nun doch etwas besorgt zu dem Soldaten. Sie wollte nicht, dass ihm etwas zustieß. Und immerhin war eine Drohung eines Loas durchaus ernst zu nehmen. Aber solange Ben und sie Ogoun an ihrer Seite hatten, bestand zumindest eine gute Chance, dass er sie beschützen würde. Die Mambo war ihm auf jeden Fall dankbar, dass der Kriegsloa es bisher getan hatte und auch Ben unter seinen Schutz gestellt hatte. Diaras Blick ruhte wieder auf Nero und kurz strich sie ihre Kleidung glatt, wartete darauf, dass er wieder auf den Handel zu sprechen kam.

Tamina

Als sich Lyra von ihr löste um nach zusehen was in dem vorderraum so los war, sah Tami unsicher zu ihrer Schwester und horchte aufmerksam den aufgebrachten Stimmen. Stock steif saß Tami noch immer auf dem Kissen, die Karte vor sich ausgebreitet, welche durch die rote Linie, den Weg zu ihrem Bruder führte. Die junge Frau konnte es noch immer nicht ganz glauben, dass Lyra und sie einen Ansatzpunkt hatten Matou zu finden. Kurz strich sie über das Papier der Karte, zog die blutige Linie mit dem Finger nach. Ihre Schwester hätte sich nicht opfern sollen, Tamina war die Ältere, sie hätte das Ritual durchziehen sollen, sie hätte ihr Blut geben sollen und nicht das ihrer kostbaren kleinen Schwester. Tami sah sich doch etwas neugierig in dem Zimmerchen um, betrachtete den Kreis um sich herum, für das Ritual und die unzähligen Tiegel und Töpfchen in den hinteren Regalen. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie Nero zurück kommen hörte und dieser plötzlich von einem ihr fremden jungen Mann am Kragen zurück geholt wurde. Sie sprang auf und wollte den beiden Männern folgen, als Lyra zurück kam und sich die Karte griff. Verdutzt sah sie ihre Schwester an "Was passiert da draußen?", fragte sie ungläubig das hübsche Mädchen und trat zu dem Vorhang zum Vorderraum. Vorsichtig schob Tami diesen beiseite und sah in den vollen Raum hinein. Eine junge Frau, mit unzähligen Ketten am Körper und der fremde Mann, welcher Nero wohl zugesetzt hatte, standen im Laden und konfrontierten Letzteren. Auch war Tami die andere Präsenz eines anderen Loa nicht unbemerkt geblieben, weshalb sie sich etwas nervös durch die Haare fasste. Die gesamte Situation war für einen Außenstehenden äußerst unverständlich und sah daher von einem zum anderen, zumindest die, die sie sehen konnte.