Raik
Ich lachte barsch. "Dein Vater greift nicht an? Und was ist mit den Gefechten, die immer wieder an der Grenze toben? Die haben nicht wir ausgelöst..." erwiderte ich und meine Augen funkelten wütend. War sie nur hier um mich abzuweisen? Dann konnte sie auch gleich abhauen! Ein Teil von mir wollte einfach zu ihr gehen und sich das nehmen, was ich haben wollte. Der andere Teil war nahezu verängstigt. Seit wann dachte ich denn so? Doch wirklich was dagegen unternehmen konnte ich auch nicht. Ich fühlte mich machtlos, unter fremder Kontrolle und das schraubte meine Wut nur noch höher.

Raik
Meine Miene verfinsterte sich noch weiter. "Vielleicht solltest du gehen." murmelte der vernünftige Teil von mir, wohl wissend, dass der unvernünftige sie gleich schlagen würde, wenn dem so weiterging. Und das wollte der vernünftige Teil auf keinen Fall. Da es mir jedoch nicht schnell genug ging, ging ich an ihr vorbei, stieß die Tür auf und stürmte aus der Hütte. Ehe ich mich versah hatte ich die erste Hausreihe hinter mir gelassen. Immer schneller lief ich in den Wald hinein, bis ich irgendwann meine Wut und meinen Schmerz einfach herausbrüllte. Der anfangs menschliche Schrei wurde tiefer und animalischer, als ich mich verwandelte und auf vier Pfoten in Richtung des Gebirges davonlief. Ich floh - zum ersten Mal in meinem Leben.

Raik
An einem kleinen Bergsee kam ich zum Stehen. Von hier oben konnte ich das Dorf sehen, wo die Feier in vollem Gange war. Vermutlich hatte man nichtmal bemerkt, dass ich abgehauen war. Ich nahm meine Menschengestalt an und stellte mich an die Kante des Felsplateaus, auf dem ich stand. Der Mond stand in meinem Rücken und beleuchtete das Tal, welches unter mir lag. Ich war froh, wenn wir nach hier oben weiterzogen. Sobald der Schnee komplett getaut war, zog sich mein Clan höher in die Berge zurück, damit die Schafe auf den Hängen weiden und die Männer in den Bergseen fischen konnten. Eine einzelne Träne lief über meine Wange, tropfte von meinem Kinn und fiel zu Boden. Während ihres Fluges reflektierte sie die Lichter des Mondes und die des Feuers im Dorf. Ich würde heiraten müssen, doch nicht die Frau, die ich liebte.

Raik
Nach einer Weile machte ich mich auf den Rückweg. Im Dorf hatte man meine Abwesenheit tatsächlich nicht bemerkt. Takkar eilte auf mich zu. Doch bevor er irgendwas sagen konnte, unterbrach ich ihn. "Hol mir ein Bier." wies ich ihn an und kehrte zurück zu der Stelle, an der ich nach Vaters Ansprache auch gestanden hatte. Takkar kam mit dem Bier zu mir und ich stürzte es in einem Zug hinunter. Dann ging ich mit der erstbesten Frau mit, die mich zum Tanz aufforderte. Ich musste irgendwie auf andere Gedanken kommen.

Raik
Wenig später hatte ich mich - wenn auch nur mit der Hilfe einer ganzen Menge Alkohol - für eine Frau entschieden, von der ich glaubte, dass ich am ehesten mit ihr den Rest meines Lebens aushalten könnte. Immerhin hatte ich es Vater versprochen und es war meine Pflicht, das Erbe der Familie zu sichern. Dass die Hochzeit jedoch bereits für den nächsten Morgen angesetzt wurde, überraschte sowohl Catrinna als auch mich. Die Rotfüchsin war jedoch bereit, so kurzfristig ihr "Ja" zu geben. An sich war sie eine hübsche, intelligente Frau, doch sie war mir einfach sehr still. Und sie war nunmal nicht Shiloh. Ich hatte am nächsten Morgen noch gar nicht ganz meinen Rausch ausgeschlafen, als Astrid schon in meine kleine Hütte kam. "Raik, steh auf, du musst dich anziehen. In zwei Stunden ist die Zeremonie!" meinte sie. Sie selber war schon in ein weißes Kleid gehüllt, welches immer wieder mit Fell besetzt war. Ohne dass ich mich wehren konnte, schleifte sie mich zum Badezelt, wo sie mich in den Zuber zwang. "Rasier dich!" befahl sie. Ich sah auf die Wasseroberfläche. "Wieso, mein Bart sieht doch in Ordnung aus?" Letzten Endes konnte ich mich mit ihr auf Stoppeln einigen, weil ich komplett ohne Bart aussah wie ein Jugendlicher. Dann reichte sie mir meine Kleider. Eine schwarze Lederrüstung über einem grauen Wams, eine schwarze Hose, graue Lederstiefel und ein schwerer schwarzer Umhang mit einem Marderfell am Hals. Als ich meine Haare sortiert hatte, legte Astrid mir einen Kranz aus Eichen- und Tannenzweigen. Dieses Symbol der Macht, aber auch der Zuneigung und der Fürsorge sollte meine Position als Mann beschreiben, während Catrinna einen aus Weide und Bergblumen tragen würde. Ein wenig nervös war ich mittlerweile schon. Lieber würde ich auf ein Schlachtfeld ziehen, als vor meiner Mutter zu stehen, die uns trauen würde. Sobald ich fertig war, zog Astrid mich nach draußen und platzierte mich vor einem großen Kranz aus Tanne und anderen Zweigen, der den Altar bei uns ersetzte. Kurz sah sie in meine Augen und flüsterte "Gut, wenigstens scheint das Federkraut nachgelassen zu haben." meinte sie leise und verzog sich dann auf ihren Platz. Die Zeremonie begann und Catrinna wurde von ihrem stolzen Vater zu mir geführt. Ein wenig zögerlich nahm ich ihre Hände. Während die Musik spielte, sah die hübsche Frau mich an. "Ich weiß, dass du mich nicht liebst. Doch das ist in Ordnung." sagte sie leise und sah mich mit ihren großen, braunen Augen an. Ich nickte langsam. "Ich werde dich trotzdem ehren bis ans Ende unseres Lebens." versprach ich leise, als die Musik aufhörte und meine Mutter begann, uns den Eheeid abzunehmen.

Raik
Ein Raunen ging durch die Menge, als der junge Adler in unserer Menge landete. Manche suchten Schutz zwischen den Häusern, als fürchteten sie einen Angriff und die Krieger zückten ihre Waffen. "Nehmt die Waffen runter, verdammte Scheiße!" befahl Takkar wütend. Ich sah von dem Adler zu Catrinna und zurück. Dann spürte ich, wie sie meine Hände losließ. "Es ist in Ordnung. Geh ruhig. Rette deine Liebste." sagte die Rotfüchsin und lächelte. Ich warf ihr einen dankbaren Blick zu. "Takkar, ruf alle Krieger zusammen, die bereit sind, diesen Krieg zu beenden!" rief ich meinem Waffenbruder zu und löste den Umhang von meinen Schultern. Ich drehte mich nochmal zu Catrinna und meinen Eltern. "Danke." sagte ich. Mein Vater lächelte wohlwollend und meine Mutter schüttelte schwach den Kopf, doch auch bei ihr zierte ein Lächeln die Lippen. Sofort kam Meena angeschossen und reichte mir zwei Farbtöpfe. Ich malte mir meine Kriegsbemalung ins Gesicht und sah zu, wie sich blitzschnell ein Großteil meiner Männer versammelte. Dann wandte ich mich an den Adler. "Flieg voraus, wir werden dir folgen." sagte ich zu ihm. Nun stand alles auf der Kippe. Wenn dies eine Falle war, war sein Stamm Geschichte. Alle wussten, wie gewagt diese Aktion war, doch für den Frieden waren sie bereit alles zu opfern. Jubelnd versammelten sie sich und verabschiedeten die Krieger. Ich ging zu dem Adler. "Wenn das eine Falle ist bist du der erste der stirbt..." murmelte er leise. "Und danach werd ich euch alle einzeln häuten." Dann jedoch lächelte er, bevor er Tiergestalt annahm und ein lautes Brüllen ausstieß. Der Befehl zum Abmarsch.

Raik
Wir liefen so schnell wie wir konnten. Doch es dauerte immer noch ne gute Stunde, bis wir überhaupt erstmal die Grenze erreichten. Ich stieß erneut ein Brüllen aus und stürmte weiter vor. Wir erreichten Shilohs Gruppe, als diese gerade in die Defensive gedrängt wurden. Der Großteil meiner Krieger attackierte die Clankrieger, ein paar kümmerten sich um die Verletzten und ich eilte an Shilohs Seite. Mit meinen blauen Katzenaugen funkelte ich ihren Vater drohend an. Doch der Gorilla neben diesem funkelte genauso böse zurück. Es könnte ziemlich schwierig werden, aber immerhin war der Gorilla nicht so viel größer als ich und hatte keine Krallen, sondern nur scharfe Zähne. Mit einem Knurren wie ein Erdrutsch stürzte ich mich auf den Gorilla und sah aus dem Augenwinkel etwas braunes, was sich schützend neben Shiloh aufbaute. Es war Takkar, der sich meiner Geliebten annahm. Irgendwo in dem Gemetzel konnte ich auch das laute Fauchen von Ragnar hören, der wohl ebenfalls mitgekommen war.