Raik
Als ich die Reifen hörte, bezog ich auch Stellung und zog sowohl meine Sichel als auch das Schwert. Dann kauerte ich mich hinter einem Autowrack zusammen und machte mich bereit. Um mich herum hörte ich, wie Schwerter gezogen und Pfeile an die Sehnen genockt wurden. "Meena, ich werde dich retten. Das verspreche ich bei den Ahnen." murmelte ich kaum hörbar.

Raik
Als das Auto stand, sprang ich aus meiner Deckung hervor und stürmte zum hinteren Teil des Wagens. Die Tür ließ sich leicht aus den Angeln reißen und die Wache, die noch drinnen hockte, fand schnell den Tod durch meine Sichel. Neben dem Käfig ging ich auf die Knie. Meena saß verängstigt wimmernd in der hintersten Ecke, mit dem Rücken zu mir. "Hey, kleiner Tiger." sagte ich leise. Sie drehte sich zu mir. Ihre Augen waren verquollen und sie zeigte überall blaue Flecken, doch ansonsten schien sie unversehrt. "Raik..." flüsterte sie mit brüchiger Stimme und rutschte im Käfig nach vorne. "Wer bist du? Und warum siehst du aus wie er? Ich hab meinen Bruder sterben sehen!" Erneut brach sie in Tränen aus. "Meena, Meena ich bin es wirklich. Die Menschen haben dich angelogen." meinte ich. "Sieh her." Ich berührte mein Totem und sprach einige Worte. Die blauen Edelsteine begannen kurz zu leuchten. "Könnte ein anderer das auch?" Meena schüttelte den Kopf. "Hol mich hier raus... Bitte." Sie packte meine Hand und krallte sich fest. "Wir holen dich raus, aber dafür musst du mich loslassen." meinte ich. Zögerlich löste sie ihre Hand. "Wenn du abhaust, dann suche ich dich und bringe dich eigenständig um." schwor sie und wimmerte wieder leise. Ich trat einen Schritt zurück, damit der ein Mann den Käfig öffnen konnte. "Ich bin gleich hier, hörst du? Gleich hier."

Raik
Sobald der Käfig offen war, wagte sich Meena vorsichtig heraus und sprang mir auf den Arm. "Hey, immer langsam..." murmelte ich, drückte sie aber fest an mich. Nach einer Weile setzte ich sie wieder ab und ging vor ihr in die Hocke. "Meena, ich möchte dich um was bitten. Erinnerst du dich an die Hirschdame, die du fast getötet hättest? Sie hat mir geholfen, dich zu retten. Denk mal darüber nach." Meena machte ein nachdenkliches Gesicht, dann schoss sie plötzlich davon und fiel Shiloh um den Hals. Ich stand wieder auf und sprang aus dem Wagen. Leise hörte ich, wie Meena sich bei Shiloh entschuldigte und sich dafür bedankte, dass sie sie gerettet hatte. Ein zufriedenes Lächeln zeigte sich auf meinen Lippen.

Raik
Ich nahm sie wieder auf den Arm, als sie zurück kam und sah dann dankbar in die Runde. "Danke euch allen." rief auch Meena. "Wenn ich was für euch tun kann, sagt es ruhig!" Klar, eine Achtjährige hatte ja auch so große Möglichkeiten. Aber es entlockte der Menge hin und wieder ein belustigtes Lachen. Mit Meena auf dem Arm ging ich zu Shiloh. Das Mädchen war leichter als zuvor und auch ziemlich abgemagert. "Was nun?" fragte ich Shiloh. Mir war klar, dass es nicht so werden konnte wie vorher. Nicht nach den Geschehnissen in der Arena und... Dem Kuss. Finnja kam vorbei und nahm mir Meena ab, damit ich in Ruhe mit Shiloh reden konnte. Ich setzte mich langsam in Bewegung, etwas von den anderen weg.

Raik
Erst jetzt ging mir ein Licht auf. "Sie ist deine Mutter, richtig?" fragte ich leise und sah dann den sich zerstreuenden Wandlern hinterher. Dann schluckte ich. "Meine eigentliche Frage war aber eigentlich, wie es mit uns weitergeht. Ich kann meinen Stamm nicht verlassen. Ich weiß nicht, wie das bei dir aussieht, aber ich denke, wir werden ein Plätzchen für dich finden, wenn du dich uns anschließen willst. Denn ehrlich gesagt will ich nicht mehr dein Feind sein. Und Meena wird dich eh nie wieder gehen lassen. Du bist jetzt ihre Heldin." meinte ich dann.

Raik
Sie einfach vergessen? Ich lachte bitter. "Hm mein Leben leben... An eine Frau verheiratet werden, die ich nicht kenne. Irgendwann selber diesen Stamm führen..." murmelte ich leise, eher zu mir als zu ihr. Wir konnten es vermutlich nicht ändern, dass sie so dachte. Und trotzdem erschien mir alles so absurd. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und nickte dann. "Alles klar. Danke nochmal für deine Hilfe." meinte ich und ging zu Meena und Finnja. "Kommt." murmelte ich. "Kommt Shiloh nicht mit?" fragte Meena. Ich schüttelte den Kopf. Sie verzog das Gesicht und rannte nochmal zu Shiloh. "Auf Wiedersehen und danke für alles!" sagte sie und brach in Tränen aus, bevor sie mir geknickt folgte. Finnja nahm ihr Hand und ich nahm Tiergestalt an. Meena kletterte auf meinen Rücken und vergrub sich halb in meinem dicken Fell. Finnja verwandelte sich dann ebenfalls und trabte los. Ich warf noch einen letzten Blick auf Shiloh, bevor ich mich ebenfalls in Bewegung setzte und der Kodiakbärin mit der ergrauenden Schnauze folgte.

Raik
Wir schafften es, noch am Abend zurück in unserem Jagdrevier zu sein. Doch hier mussten wir zwingend eine Rast einlegen. Ich war verletzt, Finnja alt und Meena entkräftet. Als das Mädchen von meinem Rücken geklettert war, nahm ich Menschengestalt an und gab den beiden meinen Beutel. "Ich werde uns was zum Essen suchen." meinte ich. "Könnt ihr ein Lagerfeuer machen? Wir sind in unserem Gebiet, hier sollte niemand kommen." Die beiden nickten und ich ging auf die Jagd. Tatsächlich kehrte ich kurz später mit zwei Hasen zurück, welche ich bereits ausgenommen und gehäutet hatte. Diese brieten wir über dem Feuer und danach legten wir uns schlafen. Finnja hatte sich dicht neben dem Feuer in eine Decke gewickelt, ich lag in Tiergestalt etwas weiter weg und Meena hatte sich zwischen meinen Vorder und meinen Hinterläufen ebenfalls in Tiergestalt zusammengerollt.
Am nächsten Morgen zogen wir schnell weiter. Wenn alles gut ging, waren wir daheim bevor die Sonne im Zenit stand.

Raik
Am nächsten Tag erreichten wir das Lager. Alle warteten bereits auf uns. Meena riss sich von meiner Hand los und sprintete zu meiner Mutter. Weinend hielt diese das Mädchen. Astrid kam zu mir und umarmte mich. "Sgáthan, du bist zurück." murmelte sie glücklich. "Wir haben uns so Sorgen gemacht, weil du so lange fort warst." Ich nickte. "Es lief nicht alles nach Plan." Astrids Augen weiteten sich, als sie Finnja sah, die sich vorerst im Hintergrund hielt. "Finnja!" rief sie und rannte zu der älteren Frau. "Du bist zurückgekehrt!" Finnja nickte bedächtig. "Ja.. Und ich möchte gerne wieder zu euch gehören. Wäre das möglich?" fragte sie leise, schüchtern. Astrids Miene zeigte Trauer. "Ich denke nicht, dass Vater..." begann sie. "..da was gegen hat." vollendete dieser ihren Satz und schob sie beiseite. "Finnja, ich bin froh, dass du in unsere Reihen zurückkehrst, nach allem was passiert ist." sagte er und schloss sie in die Arme.