Leaf
Die stunden verstrichen. Die junge Frau blieb auf dem Stuhl sitzen und starrte die Tür so angestrengt an, als könne sie den Blutjungen dadurch dazu bewegen, dort hindurch zu treten. Doch er kam nicht. Die Enttäuschung darüber, die sie so lange unterdrückt hatte, flackerte noch stärker auf. Vielleicht war er wirklich alleine gegangen, dachte sie bedrückt.
Irgendwann begann sie zu frieren und wickelte sich in eine dünne Decke, blieb jedoch auf dem Stuhl sitzen. Zwischendurch war ihr, als hätte sie Schritte gehört, doch sie schien es sich nur eingebildet haben, denn Blint kam nicht. Sie stützte den Kopf auf die Hand und den Ellenbogen auf den Tisch und wartete. Und wartete.
Es war schon weit nach Mitternacht, als sie einickte. Ihr Kopf rutschte auf die Tischplatte und sie schlief weiter, halb sitzend halb liegend.

Raschin
Er hatte das unglaubliche und erstmalige Bedürfnis sich in die Hose zu machen. Raschin hatte das Gefühl, dass sein Herz ihm gleich aus der Brust springen würde und er schnappte nach Luft, als der Nachtengel ihn packte. Erst jetzt war ihm aufgefallen, dass es die gleiche Stimme wie aus der Arena war. Vor Angst lief ihm haufenweise Schauder über den Rücken, seine Glieder zitterten und er war sich sicher, dass sein Todesurteil gesprochen war. Die Tatsache, dass er seinen Schild mühelos durchbrechen konnte, verstärkte seine pure Angst nur noch. er war vollkommen machtlos.
Durch den Griff des Wesens bekam er keine Luft mehr und mit aufgerissenen Augen beobachtete er die Klinge, die sich aus dem schwarzen Material löste, die das ganze Ungeheuer bedeckte. In das furchterregende Gesicht konnte er nur Bruchteile eines Augenblickes sehen, um seinen Blick gleich wieder abzuwenden. Zu furchterregend war dieser Anblick.
Und seine Namen...bei jedem anderen hätte es lächerlich geklungen, aber bei dem Nachtengel tarfen sie alle zu und Raschin hatte keine Zweifel, dass dieses Ungeheuer diesen Namen alle Ehre machte.
Er wurde weggeschleudert und prallte mit ungeheurer Wucht gegen die Wand, sodass sein Atem für weitere Sekunden nicht vorhanden war. Raschin war sich sicher, dass in seinem Hals jetzt eine tiefe Wunde war, aber es war nichts. Absolut nichts.
Und er blieb am Boden liegen, nach Luft schnappend und der Nachtengel nahm sich ihm nicht nocheinmal an.
Er hörte einen Schrei, konnte aber nichts sehen, da seine Augen von der vor kurzem nicht vorhandenen Luftzufuhr und dem Aufprall schwarze Punkte vor seinen Augen waren.
Nach einiger zeit wurde es still und Raschin versuchte sich aufzusetzen, aber er scheiterte. In seiner Schulter brach augenblicklich ein atemberaubender Schmerz aus. Er keuchte auf und Tränen schossen ihm in die Augen,, die er nur mühsam wegblinzeln konnte. beim 2. Versuch versuchte er das ganze Gewicht auf den linken Arm verlagerte.
Sein Rücken tat höllisch weh und nur mit Mühe schaffte er sich an die Wand zu lehnen. Immernoch keuchend und mit einem Zittern blickte er zu Khyra. Soweit er es sehen konnte, ging es ihr gut. Raschin vermutete dass sein Arm gebrochen ware und seine Rippen stark geprellt waren.
Der Schock saß Raschin noch tief in den Knochen.

Khyra
Sie beobachtete ihren Bruder, wie er sich regte. Offensichtlich lebte er noch, und in dieser Situation war ihr das sogar recht, denn alleine hätte sie nicht gewusst, was sie tun sollte. Mit einem Ruck befreite sie sich von dem Messer, das sie an die wand nagelte, das sie dadurch ihre Sachen zerschnitt war unwichtig. Auf wackeligen Beinen stolperte sie zu ihrem Bruder hinüber.
"Schön das du noch lebst.." sagte sie, doch es klang bei weitem nicht so spöttisch, wie sie geplant hatte. Beim Aufstehen half sie ihm nicht, sie wollte ihn nicht berühren, und außerdem hätte er selbst das auch abgewehrt.
"Was machen wir jetzt?" Sie waren gescheitert, und für so etwas hatte der gottkönig kein Verständnis. sie konnte nur hoffen, das er wenigstens wertvolle Informationen erhalten hatte, vielleicht würde das ihr Versagen ein wenig vermindern und ihnen so nicht sofort den Tod bringen.

Raschin
Zu seinen schmerzenden Körperteilen gesellte sich nun auch sein Kopf. Heftig gegen eine massive Wand geschleudert zu werden, fand sein Körper nicht sehr prickelnd.
Aber seine Sinne normalisierten sich langsam. Er blinzelte noch einmal und sammelte sich, um seine Stimme auszutesten. Es war klar gewesen, dass Khyra sofort an ihre Mission dachte und auch er verstand ihren Gedankengang nach einigen Sekunden des Denkens in seinem rauschenden Kopf.
Seinen Schock versuchte er so gut es ging, zu verstecken und die Erleichterung, die er in einem kurzen Anflug über sein noch vorhandenes Leben war ruckartig verschwunden. Vielleicht hatte er die Begegnung mit dem Nachtengel überlebt, aber ein Zusammentreffen mit dem Gottkönig wäre nach diesem Fehlschlag viel schlimmer.
"Ähm", seine Stimme klang viel angeschlagener, als er es eigentlich zulassen wollte und Raschin räusperte sich, was aber nicht viel brachte,"ich habe zum Glück einige Informationen." So schnell es ging erzählte er ihr von Durzo Blints Lehrling Leaf und von diesem Jorg.
Da kam ihm wieder die Frage in den Sinn, woher er ihn kannte, aber die Kopfschmerzen verhinderten jegliches kompliziertes Denken.

Khyra
Anscheinend hatte es ihren bruder härter erwischt als es zunächst ausgesehen hatte. denn er brachte zuerst kaum ein paar zusammenhängende Worte heraus. aber immerhin konnte er erzählen, was er erfahren hatte. Das wiederum war nicht so schlecht, was die ganze Situation ein kleines bisschen weniger schlimm machte.
Fieberhaft dachte sie nach."Der berühmte Durzo Blint hat also einen Lehrling. Vielleicht kann man das gegen ihn verwenden, dann hätten wir zum mindest eine mächtige Spielfigur vorzuweisen." überlegte sie und sah ihren bruder dabei an. Irgendetwas mussten sie finden, ihr Leben hing praktisch davon ab.

Raschin
Unter Ächzen seiner Gedanken dachte er weiter darüber nach. "Mit Durzo Blint hätten wir den Jackpot. Niemand soll vor ihm sicher sein", erklärte er. "Sie als Druckmittel wäre auf jeden Fall einen Versuch wert." Es würde ihre Lage zehnfach verbessern. Mit dem Blutjungen könnten sie ohne große Anstrengungen jeden umbringen, den sie wollten. "Mhysa hat versucht, sie aus ihren Gedanken zu bekommen. Ich glaube schon, dass sie wichtig ist. Und wenn nicht, stirbt sie halt und es gibt eine Bedrohung von den Blutjungen weniger", berichtete er.

Khyra
Sie hörte ihm genau zu. Ausnahmweise hatte er Recht, in jeglichen Punkten, und sie nickte zustimmend.
"Ja, versuchen müssen wir es wenigstens. Genaugenommen ist es unsere letzte Chance, wenn wir überhaupt etwas vorzuweisen haben wollen." sie runzelte die Stirn, dachte kurz nach.
"Die Frage ist nur, wie kommen wir an den Lehrling heran. Selbst nicht vollständig ausgebildet ist sie wahrscheinlich zu stark, um sie einfach zu überwältigen."

Raschin
Fieberhaft dachte er nach und das war echt nicht leicht nach dem Schock seines Lebens. "Das stimmt, aber Durzo Blint kann nicht immer bei ihr sein und wenn wir sie finden, könnte ich sie mit Magie leicht überwältigen", erklärte ich. "Sie ist schließlich ein Mensch." Mit einem Schaudern dachte Raschin an den Nachtengel und wie leicht er die magischen Fesseln und den Schild durchbrochen hatte.
Zum Glück konnte Leaf das nicht können.
"Ihr Aussehen kenne ich gut. Es wird vielleicht nicht leicht werden, aber es wird gehen", antwortete er und sprach sich damit selbst ein bisschen Mut zu. wenn sie das nicht schaffen würde, wäre es besser, hätte sie der Nachtengel umgebracht.