Sienna
Ich grinste, als Aidan nichts sagte, sondern es einfach so hinnahm. Mein Blick wanderte wieder zum Fernseher. Ich hatte den Film schon seit einer Weile nicht mehr gesehen, weswegen ich kein Problem damit hatte, ihn erneut anzuschauen. Ich nahm die Geräusche, die die Tiere im Wald verursachten, wahr, doch sie lenkten mich nicht mehr so sehr wie am Anfang ab. Es wurde also tatsächlich leichter mit der Zeit, sich nur auf eine Sache zu konzentrieren, obwohl man alles um sich herum wahrnehmen konnte. Unwillkürlich begann ich zu lächeln, als ich Aidans Blick auf mir spürte. "Ist was?" fragte ich und drehte leicht den Kopf, um ihn anschauen zu können.

Sienna
"Wenn du das sagst, glaube ich das mal." entgegnete ich schmunzelnd, während mein Blick weiterhin auf ihm ruhte. Meine Aufmerksamkeit war allerdings nicht von langer Dauer. "Es regnet!" stieß ich begeistert aus, als ich hörte, wie draußen die einzelnen Tropfen auf den trockenen Waldboden fielen. Seit ich ein Vampir war, kam ich mir viel kindlicher vor. Ich konnte mich keine fünf Minuten auf eine Sache konzentrieren, weil die Welt plötzlich viel interessanter war und ich mich für jede Kleinigkeit begeistern konnte. "Entschuldige." gab ich leise von mir, wobei ich über mein eigenes Verhalten nur schmunzeln konnte. "Wo sollte ich denn auch sonst sein?" fragte ich, als er mich auf die Stirn küsste. "Du glaubst doch nicht, dass du mich jemals wieder vom Hals bekommst." fügte ich frech grinsend hinzu.

Sienna
"Ouh, dann kann ich ja endlich mal eine Schneebaschlacht machen ohne dass mir die Finger abfrieren!" erwiderte ich lachend. Sobald ich Schnee in die Finger bekam, musste Aidan wohl aufpassen. Nachdenklich fing ich an, eine Haarsträhne um einen meiner Finger zu drehen. "Das glaube ich."

Sienna
"Jap, ist mein voller ernst." antwortete ich und bekräftigte meine Aussage mit einem mehrfachen Nicken. "Aber keine Sorge, irgendwann werde ich die Freude daran verlieren. (...) So in ein- oder zwei- (...), vielleicht auch dreihundert Jahren." verkündigte ich breit grinsend. Ich hatte ja nie behauptet, dass der Alltag mit mir je weniger anstrengend werden würde. Ich bewunderte noch immer, wie lange Aidan es bereits mit mir ausgehalten hatte. "Hey, mal eine andere Frage." sagte ich und wurde wieder etwas ernster. "Vampire sind ja eigentlich eher Einzelgänger, oder?" Zumindest war das meine Schlussfolgerung aus seinen Erzählungen.

Sienna
Ich nickte langsam. "Verstehe." sagte ich und sah wieder zum Fernseher, um nachzusehen bei welcher Stelle wir gerade waren. So wirklich zugehört oder -geschaut hatte ich bisher nicht. "Hast du eigentlich zu irgendeinem Wesen Kontakt? Oder ist das mit der Zeit alles im Sand verlaufen?" fragte ich nach einer Weile, ehe ich leise grummelnd "Mit Ausnahme von unserem "Nachbar"" hinterhersetzte. Ich hatte ein ungutes Gefühl, was den Vampir anbelangte, und dieses Misstrauen war meines Erachtens gerechtfertigt.

Sienna
Ich gab ein leises Grummeln von mir. Ich mochte ihn trotzdem nicht, Punkt. "Was meinst du mit 'gewisser' gemeinsamer Vergangenheit?" hakte ich nach, da mich das ganze doch neugierig gemacht hatte. Dass dieser Kerl Aidan verwandelt hatte, war das einzige was ich diesbezüglich wusste. Mehr hatte mein Freund bisher nicht preisgegeben. "Ja, du hast ihn mal beiläufig erwähnt." stimmte ich zu, den Blick weiterhin starr auf den Bildschirm des Fernsehers gerichtet.

Sienna
"Verstehe." gab ich leise murmelnd von mir. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es sein musste, nach der Verwandlung auf sich allein gestellt zu sein. Es war ja schon so nicht einfach gewesen. "Danke, dass du für mich immer da bist." sagte ich, während ich meine Hand in die seine legte und ihn anlächelte. "Das ist nicht selbstverständlich."

Sienna
Nach dem der Film geendet hatte, hatten wir uns dazu entschieden, jagen zu gehen. Allerdings war ich nach kürzester Zeit wieder allein zum Haus zurück gekehrt. Ich hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, nach dem Anblick von heute Mittag erneut Blut zu mir zu nehmen. Der Durst war noch nicht groß genug, so dass er Überhand über meinen Verstand hätte nehmen können. Eingemurmelt in meinen Pulli saß ich auf dem Sofa und dachte nach. Ich sehnte mich nach meiner Heimat und vor allem nach meiner Familie. Ich konnte es gar nicht in Worte fassen, wie viel sie mir bedeutete und wie schwer es mir fiel, mich von ihnen fern zu halten. Zögerlich zog ich den Laptop, der zuvor auf dem Wohnzimmertisch gestanden hatte, auf meinen Schoß. Ich wusste, dass es keine gute Idee war, doch ich musste einfach nachschauen, was sich während meiner Abwesenheit in Cork getan hatte. Als der Laptop endlich hochgefahren war, klickte ich mich durch die sozialen Netzwerke. Auf meinem Profil hatten unzählige Leute ihre Narichten hinterlassen. Manche von ihnen gingen mir wirklich nahe. Sie alle wünschten mir nur das Beste und hofften, dass es mir gut ginge, wo auch immer ich war. Mir war nie bewusst gewesen, dass so viele Menschen mich vermissten. "Du solltest dir das nicht antun." sprach ich mit leiser und kratziger Stimme, an mich selbst gerichtet und tupfte mit den Ärmeln die nassen Augen trocken. Obwohl es das Heimweh um ein vielfaches verstärkte, spendeten die unzähligen Narichten auch Trost. Ich fühlte mich plötzlich nicht mehr so einsam, weswegen ich weiterlas, Naricht um Naricht. Ich wusste nicht, wie lange ich schon hier saß, aber Aidan würde bestimmt bald auftauchen. Gerade als ich den Tab schließen wollte, um den Laptop wieder zur Seite zu stellen, fiel mir ein Name ins Auge. Michael C. Allein der Name ließ den Zorn in mir auflodern. Dennoch las ich mir seine Naricht durch, die er vor 2 Tagen abgeschickt hatte. Er berichtete, dass er kurz vor einer Beförderung in eine Führungsposition stünde und er bedauerte, dass sein Patenkind spurlos verschwunden war und nicht an so einem wichtigen Ereignis teilhaben könne. "Der Heuchler gehört in den Knast oder unter die Erde, aber gewiss nicht befördert." knurrte ich wütend. Allein die Tatsache, dass er überhaupt noch eine Uniform tragen durfte, nach dem was er meiner Mutter angetan hatte, ließ mich die Fassung verlieren. Ohne irgendwas zu schließen, geschweigedenn die Chronik zu löschen, klappte ich den Laptop zu und schmiss ihn neben mir aufs Sofa. Ich konnte nicht länger auf mir sitzen lassen, dass er ungestraft davon kam. Entschlossen sprang ich auf und eilte ins Schlafzimmer, um das Nötigste zusammen zu packen. Ich würde auf dem schnellsten Weg nach Irland zurück zu kehren. Koste es, was es wolle.