Raik
Wieder am Lager angekommen, sah ich ihr nach. Takkar boxte mich. "Und?" fragte er. "Wie heißt sie?" Er grinste breit. "Hab ich nicht gefragt." gab ich zurück. "Wie jetzt?" fragte er irritiert. "Aber das war doch die Gelegenheit dazu!" Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Sie gehört zu denen. Ich sollte sie vergessen." murmelte ich und aß dann schweigend mein Frühstück. "In Kürze werde ich eh an irgendwen aus dem Stamm verheiratet." Dann packte ich die Sachen zusammen. Wir würden uns heute wieder hin und her bewegen müssen. Ansonsten hatte die Patroullie wenig Sinn.

Raik
Gelangweilt schlenderten wir an der Grenze auf und ab. Grenzdienst war die schlimmste Aufgabe, die ein Krieger bei uns haben konnte. Doch aktuell nahmen die Krieger es locker. Im Laufe des Tages würden wir eine Nachricht bekommen, wie lange wir noch zu patroullieren hatten. Langsam machte ich mir Sorgen um Meena. Wenn alles glatt ging, sollte sie heute Abend den Götterberg erreicht haben und dort vor die Ahnen treten. Ich hoffte, dass alles gut ging. Ansonsten würde ich selbstständig die Suchtrupps führen. Wir kamen wieder näher an die Stadt und plötzlich stieg mir der Geruch von Menschen in die Nase. Ich bedeutete Takkar, vorsichtig zu sein und zog meine Waffen. Wenn hier tatsächlich jemand in der Nähe war, dann waren nicht nur wir in Gefahr.

Raik
Als die Dunkelheit über der Savanne hereinbrach drehte ich mich zu den Bergen. Angespannt beobachtete ich, wie das letzte Licht auf die Gipfel fiel. Blaue Lichter begannen zu tanzen und wurden langsam aber sicher knallrot. Meine Miene gefror. "Takkar! Ruf die anderen zusammen! Meena ist nicht auf dem Götterberg angekommen!" rief ich meinem Waffenbruder zu und schnappte mir meine Sachen. Entschlossen sprintete ich in den Wald. Ich hörte ein Brüllen, die anderen Krieger folgten mir also bereits. In Tiergestalt hetzte ich den ganzen Weg bis zum Dorf. Völlig außer Atem kam ich an und wurde von der weinenden Astrid umarmt. "Sgàtha, was ist passiert?" fragte ich sie aufgeregt und besorgt. Sie holte Luft. "Meena.. Sie ist abgehauen bevor wir die Schicksalsspitze erreichen konnte. Als Ragnar sie aufhalten wollte, hat sie sich verwandelt und ist im Wald verschwunden. Wir haben ihre Spuren verfolgt. Sie führen hinab ins Tal, in Richtung der Stadt. Oh, Raik, es gab Spuren von einem Kampf. Sie haben sie! Die Menschen haben Meena." Tränen rannen ihr Gesicht herab. Ich umarmte sie feste. "Alles wird gut, Astrid, ich hole sie zurück." Sanft schob ich meine Schwester von mir. "Anders, such mir bitte Vorräte zusammen!" wies ich meinen jüngeren Bruder an. "Ragnar, wo habt ihr die letzte Spur gefunden?" Ich ließ mir von meinem Bruder alles erklären und nahm dann den Sack mit den Vorräten entgegen. "Schattentänzer, wir kommen mit." Die Krieger standen neben mir, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich muss alleine gehen. Zu viele sind zu auffällig. Ich darf kein Aufsehen erregen." Takkar umarmte mich. "Mögen die Ahnen dich geleiten." Auch meine Eltern verabschiedeten sich von mir und meine Mutter malte mir zum Schutz gegen die Menschen weitere Runen mit schwarzer Farbe in das Gesicht. Dann machte ich mich auf den Weg. Ich würde heute nicht allzu weit kommen, dazu war es bereits zu spät.
Einige Stunden später - es musste kurz vor Mitternacht sein - schlug ich mein Lager an einem kleinen See auf. Es war neutrales Gebiet, sodass ich lieber kein Feuer entfachte. Ich wollte nicht angegriffen werden. In den See mündete ein kleiner Fluss. Das Plätschern wirkte beruhigend. Ich setzte mich in die Nähe des Ufers unter eine gewaltige Trauerweide und aß ein Stück Brot und eine Möhre zu Abend.

Raik
Ein unerwartetes Geräusch ließ mich die Ohren spitzen. Ich war zwar in Menschengestalt, doch ich hörte trotzdem noch besser als ein Mensch. Deshalb nahm ich auch das unnatürliche Plätschern im Wasser, welches durch Bewegung ausgelöst wurde. Da war jemand. Ich zog mein Schwert und meine Sichel und hockte mich auf die Fußballen. Ich war bis aufs Äußerste angespannt und starrte auf die dunkle Wasseroberfläche. Was war da?

Raik
Ich entspannte mich etwas, als ich die Stimme erkannte. Dann erblickte ich sie im Wasser. "Ich bin auf der Suche nach jemandem." meinte ich knapp und schob die Waffen zurück in die Holster. "Und was treibt dich um die Zeit in die Wildnis?" fragte ich dann.

Raik
Ich überlegte einen Moment, ob ich ihr das anvertrauen sollte. Dann zuckte ich die Schultern. Wenn ihr Clan Meena entführte, dann kämen wir immerhin besser an meine Schwester heran als wenn die Menschen sie hatten. "Meine kleine Schwester. Sie ist entführt worden." antwortete ich also und setzte mich wieder bequemer hin. Heute Nacht würde ich nirgendwo mehr hingehen. Also nahm ich einen Wetzstein aus meinem Rucksack und begann, die Klinge meiner Sichel zu bearbeiten. Sie sollte ja scharf bleiben. Das gleichmäßige Schleifen des Steins auf Metall mischte sich mit nem Gluckern des Wassers, sodass es auch nicht sonderlich laut zu hören war. "Und du schwimmst hier, mitten in der Nacht, einfach so in neutralem Gebiet in einem See. Hast du keine Angst, dass dir jemand einen Pfeil ins Herz jagt?"

Raik
Meine Augen funkelten leicht erbost, als sie Meena als Biest bezeichnete. "Sie ist übermütig und auf einem falschen Weg, aber sie ist kein Biest." verteidigte ich meine kleine Schwester und hielt kurz inne mit dem Schleifen. Jeder machte mal Fehler und Meena hatte eben auch einen gemacht. Gut, vor den Konsequenzen war sie davongelaufen, aber das war ein anderes Thema. Als sie mir Hilfe anbot, trat Skepsis in meinen Blick. "Warum solltest du dich in Gefahr bringen um meine Schwester zu retten?" fragte ich sie misstrauisch.

Raik
Ihre Argumente waren überzeugend, so viel stand fest. "Also gut. Aber nur wenn ich mir sicher sein kann, dass du mir nicht in den Rücken fällst. Wie ist dein Name? Für den Fall, dass ich dich in die Hölle wünschen muss, wenn du mich doch verrätst." meinte ich, lächelte dabei aber schief. Seltsamerweise vertraute ich ihr. Ich streckte kurz die Schultern durch und schob dann die Sichel zurück in die Scheide. Das Metall war nun dünn genug, nun musste ich nur noch das Schwert schärfen. "Du sagst Bescheid, wenn ich wegsehen soll, ne?" meinte ich dann noch beiläufig. Da ihre Klamotten unweit von mir entfernt lagen, war es nicht allzu schwer zu erraten, dass sie nackt war.