Auch die anderen schienen aufbruchbereit, weshalb Diara ihrem Loa zunickte und die Reisegesellschaft nun aufbrach und wieder auf die Straße bog, welche zu dem Laden des Bocore führte. Die Mambo wusste noch nicht, was sie von dem Priester und seinem Loa halten sollte und hoffte, dass es zu keinen größeren Streitigkeiten während der Reise führen würde. Doch wenn sie sich alle zusammenreißen würden, würde das schon irgendwie hinhauen. Es musste ja nicht wieder eskalieren so wie gestern. Schließlich blieben sie vor Nero und Kalfu stehen, welche die Gruppe bereits erwarteten. Diara nickte ihnen grüßend zu. "Guten Morgen", schloss sie sich Lyras Gruß an und versuchte sich sogar an einem kleinen Lächeln, selbst wenn sie ahnte, dass die beiden nicht sonderlich freundlich gestimmt waren. Die junge Mambo richtete den Riemen ihrer Tasche und nickte dann bestätigend mit einem Blick auf Ben und Ogoun. "Ja, wir sind soweit"

Anscheinend wusste Ogoun einen Weg, da die Frauen nicht im Gasthaus frühstücken wollten und Diara eine Richtung einschlug. Ich konnte sie schon verstehen, ich hoffte nur, dass wir bald wirklich etwas zu essen bekommen könnten. In dem Gemischtwarenladen wurden wir fündig, also hatte ich dann auch bald etwas im Magen. Zu trinken hatte ich in meiner Flasche in meinem Seesack zum Glück auch. Dann ging es auch schon weiter zum Treffpunkt, wo der Bocore wartete. "Guten Morgen.", meinte ich höflich und nickte dann auch. Wir konnten con mir aus auch los.

Die Reaktion des Bocors wunderte Lyra nicht, doch irgendwie musste sie sich mit ihm nun arrangieren, genauso wie er sich mit ihr arrangieren musste. Mit der Zustimmung seine Schülerin zu werden waren sie beide Verpflichtungen eingegangen und Lyra war nach wie vor gewillt, mehr über die schwarze Magie zu erlernen. Immerhin begleiteten die Geister sie seit dem Blutritual nun, ob sie wollte oder nicht. Gemeinsam folgten sie dem Bocor zum Bahnhof auch wenn Lyra diesem immer wieder verstohlene Blicke zuwarf. Hoffentlich würde sie bald Zeit finden, an ihren Fähigkeiten zu arbeiten. Warum Lyra plötzlich so begierig darauf war wusste sie nicht. Vielleicht war es der Wunsch, ihren Bruder dann besser retten zu können. Oder einfach das Gefühl, nicht mehr machtlos zu sein gegen all die Ungerechtigkeit welche immer noch gegen die schwarze Bevölkerung herrschte. Lyra war es satt und sie wollte nicht länger eine Sklavin sein. Sie wollte sich wehren können. Hass und der Wunsch nach Vergeltung rumorte in ihrem Herzen, von welchem sich die bösen Geister angezogen fühlten sie Motten von dem Licht.
Die Reisegruppe erreichten den Bahnhof, doch nachdem gestern eine führerlose, Innen völlig demolierte Lok voller verletzter und toter Menschen vorgefahren war , herrschte hier immer noch Trubel. Polizeibeamte hatten das Gleis auf welchem die Lok stand abgesperrt und bewachten dieses. "Was bei allen Geistern ist hier los." murmelte die Dunkelhäutige und sah sich um. "Hoffentlich fahren hier überhaupt noch Züge ab." sprach sie ihre Gedanken aus und ließ den Blick durch die Gegend schweifen.

Auch Ogoun war wie immer schweigsam seiner Mambo durch die Menge gefolgt bis sie schließlich am Bahnhof standen. Er stieß einen lauten Seufzer aus, denn natürlich wusste er, warum dieser Trubel hier herrschte. "Das hätte ich beinahe vergessen." brummte er und sah mit verschränkten Armen Diara an. "Es ist fraglich, ob sie noch Züge abfahren lassen, bei dem Massaker, was diese Zombies veranstaltet haben." Er schnaubte kurz in einem verachtenden Tonfall. "Im Zweifelsfall kapern wir eine Lok. Mit meinen Fähigkeiten bekomme ich sie ohne Probleme zum Laufen." Ogoun war immerhin nicht umsonst auch Loa des Eisens und des Feuers. Technik war ihm nicht fremd und viele die damit zu tun hatten huldigen ihm. Gestern hatte es mit Ben's Hilfe ja bereits gut geklappt. Dass sie so allerdings im Begriff waren, mal eben eine sehr teure Lok zu stehlen, ignorierte der ehemalige Petro gekonnt.

Es war lediglich eine knappe Begrüßung, welche die Reisegruppe von dem Bocore erhielt als sie vor dem Laden zum Stehen kamen. Diara hob lediglich leicht eine Augenbraue, doch auch sie hatte nichts anderes von dem Priester erwartet. Ohne dass Nero noch ein Wort sagte, führte er sie zum Bahnhof und schuldbewusst verzog die Mambo leicht das Gesicht, als sie sah, wie viele Menschen bei dem Massaker gestern gestorben waren. Und Diara hatte nichts tun können, um ihnen zu helfen. Di seufzte leise. "Mit dem Zug sind wir nach New Orleans gekommen. Wir wurden unterwegs von Zombies angegriffen", erklärte sie und sah kurz zu dem Bocore. Dann blickte die Dunkelhaarige zu ihrem Loa. "Hm", machte sie und ließ den Blick über den Bahnhof schweifen. Ja, es würden wohl definitiv keine Züge mehr in die Richtung fahren, in die sie wollten. Oder überhaupt fahren. Doch irgendwie gefiel Diara die Vorstellung auch nicht, einfach eine Lok zu klauen. Der Zweifel stand ihr wohl im Gesicht, vor allem, als Kalfu auch noch anbot, einen Polizisten zu besetzen. Doch welche Wahl blieb ihnen denn? Also nickte die Mambo langsam. "Dann machen wir das so", sagte sie und sah dann zu Ben. "Wir haben ja schon einmal eine Lokomotive gelenkt!" Nun lächelte sie leicht zu dem Soldaten herüber, wobei sie natürlich vollkommen vergaß, dass die Hälfte der Anwesenden die Vorschläge der Loas nicht mitbekommen hatten und ihre Worte ziemlich aus der Luft gegriffen wirkten.

Wir erreichten den Bahnhof und die Lok, mit der wir gestern angekommen waren, sorgte noch immer für Unruhe. Überall waren Polizisten, die die Gleise bewachten. Wieder einmal bekam ich natürlich nicht mir, was mit den Loas besprochen wurde, Diaras Worte ließen es lediglich erahnen. "Was machen wir?", fragte ich dennoch und sah sie nur etwas verwirrt an. Mir wollte nicht ganz einfallen, wie wir an eine Lok kommen sollten. Und dann fing der Bocore auch noch an, den Plan komplett zu ändern anscheinend. "Und was hat er jetzt vor? Diara, was habt ihr besprochen?" Mich machte das alles unruhig.