PRS von Alacarin, Schattenschwingen und Kagé

Rahne
Das Licht von Fackeln erhellte das Heidekraut. Rahne hörte das Kratzen von Krallen auf Stein. Sie rannte so schnell sie konnte. Die wütenden Stimmen verfolgten sie, trieben sie voran. Plötzlich fehlte der Boden unter ihren Vorderbeinen. Mit letzter Kraft riss sie ihren Oberkörper hoch und ihre Füße kratzten über den Stein. Kleine Kiesel fielen klappernd hinab in die Tiefe. Unten schimmerte das Mondlicht auf dem Wasser des Sealochs. Panisch fuhr Rahne herum. Sie waren da! Sie hatten sie umzingelt. Wimmernd kauerte sich das Mädchen zusammen. Das war's, sie würden sie töten. Ein Schuss ertönte. "Finger weg von dem Wolfsmädchen, oder ich erschieße euch alle!"

Zitternd wachte Rahne auf. Sie wollte sich aufsetzen, doch ihre Arme und Beine waren fest an das Bett geschnallt. "Ein Traum, nur ein Traum..." flüsterte sie und drehte ihren Kopf nach links. Da standen zwei Betten! Sie hatten ihr endlich Zimmergenossen gebracht! Wie lange war sie jetzt alleine gewesen? Vier Wochen? Acht? Sie hatten ihr gesagt, dass sie noch ansteckend gewesen sei. Nun hoffte die, dass sie endlich die anderen hier kennenlernte, deren Stimmen sie immer mal wieder durch die Wände hörte. Die meisten klangen sehr freundlich, doch andere waren oft am weinen. Rahne fragte sich stets, was sie hatten. Doch nun waren erstmal ihre Zimmergenossen interessant. Ihr Blick fiel auf die Uhr. Es war noch sehr früh am Morgen, gerade mal fünf Uhr. Ob sie es ihr verzeihten, Wenn sie sie aus Neugierde weckte? Vermutlich nicht. Etwas ratlos biss Rahne sich auf die Unterlippe und sah hinüber zu den beiden Betten.

Rahne
Als ein Seufzen und kurz darauf eine Stimme erklang, überkam sie ein Gefühl der Aufregung. "Ja, ich bin hier!" antwortete sie direkt und ihre Freude über Gesellschaft war in ihrer Stimme deutlich zu hören. "Ich bin Rahne, und du? Was machst du hier? Warum hat man dich zu mir verlegt?" strömten die Fragen aus ihr heraus. Noch war ihr nicht klar, dass das Seufzen und die Worte gar nicht von der selben Person stammten.

Rahne
Jetzt waren sie schon zu dritt! Erfreut drehte Rahne ihren Kopf und versuchte, in der Dunkelheit die Gesichter der anderen beiden auszumachen. Es gelang ihr relativ gut. Beide wirkten nicht viel älter als sie und waren echt hübsch. "Und du bist?" fragte sie das zweite Mädchen. Lilly schien ebenso erfreut wie sie selbst. "Wie lange seid ihr schon hier in der Klinik?" Mühselig versuchte sie, sich etwas aufzusetzen, doch das war gar nicht so einfach. Sie war ja noch immer gefesselt. Also gab sie den Versuch auf.

Rahne
"Mittlerweile weit über vier Wochen, glaube ich." antwortete sie. Plötzlich ertönte ein Klicken und das Licht ging an. Rahne kniff die Augen zusammen und machte ein leises "Ahh." Das Licht blendete sie und zerstörte komplett ihre Nachtsicht. Eine Schwester kam rein. "Guten Morgen, Mädels. Wie ich sehe habt ihr euch schon untereinander vorgestellt. Ich habe den Auftrag erhalten, euch loszumachen. Rahne, du weißt was das bedeutet. Sobald du Krämpfe bekommst, musst du den Notruf drücken." Das schottische Mädchen nickte eilig. Sie wollte auf jeden Fall losgemacht werden. Erleichterung durchströmte sie, als die Krankenschwester die erste Fessel löste. Als dann alles an war, setzte sie sich auf und bedankte sich bei der jungen Frau. Dann sah sie sich im Zimmer um. Ihr Fernseher stand noch immer in der Ecke, aber es waren noch ein Tisch und ein Schachbrett dazu gekommen. "Heute müsst ihr noch auf dem Zimmer bleiben. Morgen führe ich euch dann rum." sagte die Schwester, nachdem sie alle Fesseln gelöst hatte. "Euer Frühstück kommt in etwa einer Stunde." Damit verließ sie den Raum und ließ die Mädchen alleine. Rahne sah die beiden lächelnd an. "Wir haben sogar ein Schachbrett bekommen!"

Rahne
"Hast du noch nie Schach gespielt? Mein Ziehvater hat es mir beigebracht." erzählte Rahne leise. "Ich denke, das ist kein Problem." Als Lilly dann fragte, warum sie hier waren, zuckte sie die Achseln. "Ich hab gelegentliche Krampfanfälle und ne Schlafstörung. Angeblich so schlimm, dass ich hier bleiben muss." Da sie aber sonst eh nicht wusste, wo sie hätte hingehen sollen, war das kein Thema für die Sechszehnjährige. Sie hatte sich mittlerweile damit abgefunden, alleine zu sein. Doch nun hatte man ihr Freundinnen gegeben, worüber sie sich sehr freute. Langsam stand sie auf und streckte sich einmal komplett durch, bevor sie sich wieder auf die Bettkante setzte.